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„Ich will mein eigenes Ding machen“

Interview mit Christian Weimer, A-Jugend-Trainer des JFV Dietkirchen/Offheim

Tobias Schneider (li.) und Christian Weimer. Foto: Dominik Groß

Tobias Schneider (re.) im Gespräch mit Christian Weimer. Foto: Dominik Groß

Der Wechsel an die Linie kommt schneller als erwartet: Eigentlich will Chris Weimer noch ein bis zwei Jahre in Lindenholzhausen spielen, bevor eine hartnäckige Schienbeinentzündung das Ende der Karriere beschleunigt. Doch Chris findet schnell eine neue Herausforderung: 2012/2013 übernimmt er die BII des JFV Dietkirchen/Offheim, macht parallel seine Trainer-B-Lizenz in Grünberg. Ein Jahr später übernimmt er den 99er-Jahrgang in der C-Jugend-Gruppenliga. Im Interview mit flw24 erzählt Chris vom Last-Minute-Klassenerhalt in der Verbandsliga, von besonderen Trainingsmethoden, von seinen Erwartungen an seine Spieler und von seinen Zukunftsplänen.

Um seine Jungs, die ihr erstes Jahr in der A-Jugend spielen, an die Senioren heranzuführen, vereinbart Chris in der Sommer- und Wintervorbereitung regelmäßig Testspiele gegen Seniorenmannschaften. Das Niveau der Gegner variiert dabei von C- bis Kreisoberliga, denn „egal welches Niveau: der Schritt in die Senioren ist groß! Gerade von der Körperlichkeit und Abgezocktheit her“, findet Chris. Spielerisch und technisch könne seine Truppe immer mindestens mithalten, sei aber oft noch zu grün und sorglos in den Zweikämpfen.

Klassenerhalt dank Schienbeinschonern im Training

Mangelnde Zweikampfhärte und fehlende Aggressivität hatte Chris auch gemeinsam mit seinem Trainerkollegen Marcello Gros in der letztjährigen Winterpause als Hauptgrund für das bis dahin schlechte Abschneiden ausgemacht. „Wir standen mit acht Punkten auf dem letzten Platz der Verbandsliga. Da haben wir uns natürlich hinterfragt, woran es lag.“ Ergebnis: Im Training wurde künftig noch konzentrierter und spielnäher gearbeitet, zum Beispiel waren von nun an Schienbeinschoner im Training Pflicht, um genauso aggressiv wie im Spiel zu Werke zu gehen. Diese Maßnahmen sollten sich auszahlen – es gelang am letzten Spieltag in einem Alles-oder-Nichts-Spiel noch der Klassenerhalt.

Tolle Erfahrungen in der Verbandsliga

Überhaupt war die Verbandsliga Süd eine tolle Erfahrung für seine Spieler und für ihn als Coach. „Wir waren in der Saison 2014/2015, gemeinsam mit der A-Jugend aus Waldbrunn, die erste Mannschaft im Kreis, die den Sprung in die neu gegründete Verbandsliga geschafft hat.“ Der Lohn waren Spiele gegen namhafte Teams wie den FSV Frankfurt, den SV Wehen/Wiesbaden, den SV Darmstadt 98 sowie die Offenbacher Kickers. „Auf dem Niveau lernen die Jungs extrem viel, das ist schon toll. Das Heimspiel gegen die Kickers werden die Jungs nie vergessen – und ich auch nicht. Prima Wetter, viele Zuschauer und ein knapper Sieg. Wahnsinn! Gleichzeitig hat die Gruppenliga natürlich durch die Einführung der Verbandsliga etwas an sportlicher Attraktivität verloren.“ Die Besten messen sich nun in der Verbandsliga – die Rückkehr dorthin ist dementsprechend das erklärte Ziel von Chris und seinem Team. Derzeit liegt der JFV Dietkirchen/Offheim auf dem dritten Platz der Gruppenliga Wiesbaden, hinter dem Lokalrivalen Limburg 07. 

„Das ist für uns schon eine tolle Leistung, da wir bis auf zwei Spieler komplett mit dem jüngeren Jahrgang antreten.“

„Leben und leben lassen“

Fast genauso wichtig wie die sportliche Weiterentwicklung findet Chris die persönliche Entwicklung. „Ich lege schon sehr viel Wert darauf, dass wir uns als Mannschaft, aber auch jeder einzeln, ordentlich präsentieren.“ Dazu gehört das Verhalten auf und neben dem Platz: vermeintlich banale Dinge wie das Grüßen anderer Vereinsmitglieder und gesittetes Auftreten, außerdem Respekt vor dem Gegner und dem Schiedsrichter. Wobei Chris offen zugibt: „Gerade zu Beginn meiner Trainertätigkeit war ich sehr emotional dabei – darunter musste manchmal auch der Schiedsrichter leiden. Zum Glück hatte ich mit Marcello Gros einen Ruhepol im Trainerteam, der meine emotionale Art ausgeglichen hat“, erzählt Chris mit einem Augenzwinkern. „Mittlerweile bin ich ruhiger geworden und lebe eher nach dem Motto ‚Leben und leben lassen‘ – denn das verlange ich ja auch von meinen Spielern.“

Bei Dempewolf und Wörsdörfer etwas abgeschaut

Und für welchen Trainer würde Chris durch’s Feuer gehen, welcher Trainer dient ihm als Vorbild? „Was Jürgen Klopp in Dortmund auf die Beine gestellt hat und was er aus seinen Spielern herausgekitzelt hat, das finde ich schon beeindruckend. Daher stammt vielleicht auch meine Vorliebe für aggressives Spiel gegen den Ball. Abgeschaut habe ich mir auch Einiges bei unseren Seniorentrainern, erst bei Flo Dempewolf und jetzt bei Thorsten Wörsdörfer. Außerdem habe ich einen engen Draht zu Bernd Basler, mit dem ich mich immer wieder austausche. Einen anderen Trainer zum Vorbild nehme ich mir aber nicht, denn ich will mein eigenes Ding machen und einen eigenen Stil entwickeln.“

Wohin es Chris auf seinem eigenen Weg verschlagen wird, steht noch in den Sternen. „Für nächstes Jahr habe ich dem JFV zugesagt. Mit meinen Jungs möchte ich das letzte Jahr der A-Jugend noch durchziehen, am liebsten natürlich in der Verbandsliga. Danach ist noch alles offen.“ Gedanken machen muss man sich sicher nicht um Chris: Denn dass er mit neuen Herausforderungen gut umgehen kann, hat er in den letzten Jahren als Jugendtrainer bewiesen.