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Vom Dorfsportplatz ins Aztekenstadion

Claus Coester führte am 08.11.2016 in Bad Camberg ein Interview mit Ottmar Döring.

Der gebürtige Neesbacher Ottmar Döring. Fotos von Claus Coester.

Weitere Bilder aus Ottmar Dörings Karriere finden Sie in der Bildergalerie.

Ottmar Döring - 62 Jahre, verheiratet, zwei Töchter, Vereine als Spieler: TUS Neesbach, TUS Dehrn, Eintracht Frankfurt, RSV Würges, Glas-Chemie Wirges, TSG Oberbrechen, SV Limbach; Vereine als Trainer: RSV Würges II, SV Villmar, TSG Oberbrechen 

flw24: Hallo Ottmar, wie geht es Dir und hast Du etwas Zeit mitgebracht?

Ottmar Döring: Danke, mir geht’s gut. Mit der Zeit das ist kein Problem. Es gibt ja was zu erzählen.

flw24: Was hat es denn mit Ottmar und Otto auf sich? Welcher Name gilt?

Ottmar Döring: Richtig ist Ottmar. Dazu heiße ich noch Walter. Wenn man auf mein Geburtsjahr 1954 guckt, ist das Rätsel schnell gelöst.

flw24: Wer da der Fan war, ist ja leicht zu raten.

Ottmar Döring: Stimmt. Mein Vater war ein ausgesprochener Bewunderer von Ottmar Walter, dem Bruder von Fritz.

flw24: So kann man auch zum Namen kommen. Und wer hat Dir den Otto verpasst?

Ottmar Döring: Das war wohl während meiner Zeit in Wirges. Ottmar war denen zu kompliziert. So wurde aus Ottmar Otto. Hören tu ich auf beide Namen.

"Damals hat man auf der Straße gekickt"

flw24: Wann hast Du die erste Bekanntschaft mit dem Leder gemacht?

Ottmar Döring: Wahrscheinlich sobald ich laufen konnte. Das Übliche damals. In Neesbach wie überall haben die Jungs im wahrsten Sinne des Wortes auf der Straße gekickt. Da kamen gerade mal drei Autos am Tag über die Langgasse. Ein Hoftor musste herhalten. Gerade gegenüber der Kirche.

flw24: Und im Verein?

Ottmar Döring: Bis einschließlich B-Jugend habe ich beim TUS Neesbach gespielt.

flw24: Ich weiß, dass Du da schon Jugendauswahlspieler warst.

Ottmar Döring: Richtig. Wir hatten mit der Kreisauswahl auf dem Hartplatz in Lindenholzhausen ein Spiel gegen die Hessenauswahl. Wir verloren 3:5, aber durch die drei Tore, die ich geschossen habe, war ich dem Verbandstrainer Karoly Nemeth wohl aufgefallen. Am selben Nachmittag erschien Nemeth mit einem weiteren Herrn, - beide waren mir ja noch unbekannt - als wir gerade in der Langgasse schon wieder bolzten. Ich hatte von meinen Eltern her die strikte Anweisung, nicht mit Fremden zu gehen. Deshalb lotste ich das Auto zu Fuß zu meinem Elternhaus. Der Rest ist schnell erzählt:  Eine Woche später durfte ich als B-Junior mit der Hessenauswahl der A-Jugend zu einem Länderspiel der „Jungmannen“ nach Flensburg mit der Bahn reisen zum Spiel Schleswig-Holstein gegen Hessen.

Über Neesbach und Dehrn zur Eintracht

flw24: Dann hast Du Neesbach verlassen und kamst zum TUS Dehrn.

Ottmar Döring: Nun, Dehrn hatte damals eine gute A-Jugend. Wir spielten in der Verbandsliga Süd u.a. gegen Kickers Offenbach, Rot-Weiß Frankfurt, die Eintracht, Darmstadt 98.

flw24: Erinnerst Du Dich an den einen oder anderen Mitspieler?

Ottmar Döring: Na klar. Bernd Schuster von 07, Helmut Henenkel aus Bad Camberg oder im Tor Rudi Naumann aus Staffel.

flw24: Dein Gastspiel in Dehrn dauerte nur eine Spielzeit.

Ottmar Döring: Dann ging es nach Frankfurt. Irgendwie hatte Bernd Hölzenbein da auch die Finger im Spiel und auf mich aufmerksam gemacht. Das war dann das zweite Jahr in der A-Jugend. Unser Trainer war Alexander Rothuber, der noch vor der Bundesliga lange zweiter Torwart hinter Eintracht-Legende Egon Loy war.

flw24: Nach der A-Jugend bist Du dann noch ein Jahr am Riederwald geblieben.

Ottmar Döring: Ich bekam einen Amateurvertrag. Das war alles mündlich, aber doch verbindlich. Unser Coach war Hermann Höfer. Auch eine Eintracht-Legende, die in dem fantastischen Europa-Cup-Finale gegen Real Madrid 1960 verloren hat.

flw24: Wie war er als Trainer und wer war im Kader?

Ottmar Döring: Hermann Höfer war ein harter Hund, der uns richtig rund machte. Als Spieler muss er ja auch ein Eisenfuß gewesen sein. Das war schon eine Umstellung von der A-Jugend bei Alexander Rothuber, der ein sehr gutes Vorbild für uns war, zum Training mit einem ehemaligen Profi. Im Kader waren einige aus den A-Junioren mit hochgegangen. Von später namhaften Spielern war zum Beispiel Wolfgang „Scheppe“ Kraus dabei, der in der Bundesliga für die Eintracht und Bayern München viel Spiele gemacht hat. Auch Helmut Müller war dabei, der dann lange für die Eintracht in der Bundesliga gespielt hat.

flw24: Otto, wie hast Du das damals eigentlich organisiert? Beruf und Amateurfußballer auf hohem Niveau.

Ottmar Döring: Ich ging ja meinem Beruf nach und arbeitete ganz normal als Lehrling und später als ausgebildeter Maschinenbauschlosser bei der Firma Strecker in Limburg. Drei bis viermal wurde am Riederwald von 18 Uhr bis 20 Uhr trainiert. Dann ging es mit der Bahn zurück bis Niederbrechen, wo mein Vater mich abholte. Später ging es dann mit dem eigenen Auto.

flw24: Gab es schon mal Probleme?

Ottmar Döring: Es kam vor, dass ich so kaputt war, den Ausstieg in Niederbrechen verschlief und in Limburg landete.

flw24: Und dann?

Ottmar Döring: Es ging an die Telefonzelle, Handy gab es ja keines, Anruf zu Hause. Die Stimmung beim Papa war dann natürlich nicht die beste.

"Ein Vierteljahr durfte ich mit den Profis trainieren"

flw24: Noch was zur Eintracht. Hatten die Amateure Kontakt zu den Profis?

Ottmar Döring: Im Normalfall kaum. Ein Vierteljahr durfte ich gegen Ende der A-Jugend mit den Profis trainieren. Ich wurde in einem Freundschaftsspiel eingesetzt. Vielleicht war es auch ein Lockmittel, damit wir bei der Eintracht blieben. Cheftrainer Dietrich Weise nahm mich dann auch in der Endphase der A-Juniorenzeit mit der Bundesligamannschaft zu einem Spiel gegen SV Weingarten in Baden Württemberg mit. Ich spielte die zweite Halbzeit und erzielte auch ein Tor auf Vorlage von Uwe Kliemann, dem „Berliner Funkturm“.

flw24: Wie stand es denn mit der Ausstattung mit Fußballschuhen etc. bei der Eintracht?

Ottmar Döring: Trainingsanzug gab es. Mit den Fußballschuhen war das lustig. Wenn wir neue haben wollten, mussten wir die alten zur Kontrolle dem Geschäftsführer Jürgen Gerhardt zeigen. Die Abrechnung lief dann über ihn ganz normal.

flw24: Wie war Dein Stellenwert bei Eintracht II. Ihr habt ja immerhin in der dritthöchsten deutschen Liga gespielt.

Ottmar Döring: Der Kader umfasste rund 20 Spieler. Nominiert war ich immer, davon rund die Hälfte der Spiele in der Startelf.

Nach der Eintracht ging es in die 4. Liga zum RSV Würges

flw24: Nach nur einem Jahr war dann für Dich bei der Eintracht Schluss und der Wechsel eine Liga tiefer zum RSV Würges kam, der nominell in der 4. Liga spielte.

Ottmar Döring: Ich hatte meine Frau, die aus Würges stammt, kennengelernt und mich dem RSV Würges angeschlossen, der ja eine gute Adresse war. Beide Entscheidungen, sowohl die private als auch die sportliche, waren ja gute.

flw24: Und doch wurden es sportlich zunächst nur zwei Jahre in Würges. Wie denn das?

Ottmar Döring: Fast wäre es zunächst nur eine Saison geworden. Mit 20 Toren hatte ich Erich Brands als Torjäger beerbt und wir landeten im oberen Drittel der Liga. In der Sommerpause hatten wir dann in Hundsangen ein Vorbereitungsspiel gegen Glas-Chemie, die in die Rheinlandliga aufgestiegen waren. Kurz darauf wurde der Sponsor von Glas-Chemie in Neesbach vorstellig und legte fünf Riesen auf den Tisch. Ich musste widerstehen. Ich hatte Würges mein Wort gegeben. Ein Jahr später kam dann der Wechsel doch zustande.

flw24: Hat Wirges Dich dann wieder mit Lappen gelockt?

Ottmar Döring: Nein. Dieses Mal ging es sozusagen in Naturalien. Wirges hat mich beim Hausbau großzügig unterstützt.

"Es wurden im Westerwald tatsächlich neun Jahre"

flw24: Wie lange währte die Wirges-Connection, wie lief es sportlich, welche Mitspieler gab es?

Ottmar Döring: Es wurden im Westerwald tatsächlich sage und schreibe neun Jahre. Aufstieg in die Oberliga Südwest, aber auch Abstieg. Spiele in der Rheinlandauswahl. Einmal hat uns der noch junge Markus Merk gepfiffen. Paul-Werner Hofmann, Rudi Collet, Harry Karger, der ja als Profi bereits Sportinvalide geworden war, und Michael Kraft, der beim 1. FC Köln zweiter Torwart bei den Profis war, waren im Team.

flw24: Gab es besondere Spiele mit Glas-Chemie?

Ottmar Döring: Natürlich eine ganze Reihe. In neun Jahren kommt ja was zusammen. Im DFB-Pokal in Würzburg-Kist gegen Kirchheim gab es leider eine rote Karte für mich. Der DFB musste im schriftlichen Verfahren verhandeln. Das Dokument habe ich noch.

flw24: Irgendwann war die Rheinland-Zeit vorbei und dann zog es Dich wieder in die alte Heimat.

Ottmar Döring: So ist es. Alles geht einmal zu Ende. Werner Entenmann plante in Wirges mit jüngeren Spielern. Ist ja auch verständlich. Karl Bermbach roch Lunte. Aber es wurde zwischen meiner Rückkehr nach Würges noch ein Jahr in Oberbrechen. Paul-Werner Hofmann, der inzwischen in seinem jetzt sehr erfolgreichen Heimatverein als Spielertrainer fungierte, hatte mich gefragt.

"Es war eines meiner schönsten Jahre im Fußball"

flw24: Wie hast Du es in Oberbrechen angetroffen?

Ottmar Döring: Das war natürlich besonders reizvoll. Mit Würges in einer Liga. Wenn ich ehrlich bin, es war eines meiner schönsten Jahre im Fußball. Tolle Kameradschaft, die Begeisterung der Zuschauer. Absolutes Highlight das Heimspiel auf dem alten Hartplatz in Oberbrechen vor mehr als 2000 Zuschauern gegen Würges. Heimspiel 1:1, in Würges 1:3 verloren. Ich krieg heute noch eine Gänsehaut.

flw24: Von Oberbrechen war es dann nach Würges nicht mehr weit.

Ottmar Döring: Der fünfte Wechsel innerhalb der Seniorenzeit. Der junge Dirk Hünerbein war gerade von Limbach gewechselt. Es wurde ein erfolgreiches Jahr. Mit dem RSV Würges holten wir beim 6:1 gegen Baunatal zum zweiten Mal den Hessenpokal.

flw24: Dann gab es nach einem Jahr schon wieder ein Wechselspiel.

Ottmar Döring: So ist es. Ich probierte eine Saison als Spielertrainer beim SV Limbach. Dann kam aber mit 34 Jahren schon wieder ein Comeback beim RSV Würges.

flw24: Bald solltest Du ja in eine Trainerfunktion in Würges einsteigen.

Ottmar Döring: Ich trainierte die zweite Mannschaft und war gleichzeitig unter Harald Ringels Co-Trainer bei der Landesligamannschaft.

flw24: Aber dann war irgendwann Schluss.

Ottmar Döring: Ja, in Würges wurde nicht ganz mit offenen Karten gespielt. Man sprach nicht mit mir, bereitete aber nach meinem Eindruck im Hintergrund die Verpflichtung von Thomas Schmitz als Trainer der zweiten Mannschaft vor.

flw24: Dann war Feierabend?

Ottmar Döring: Der SV Villmar verpflichtete mich als Trainer. Meinen Pass habe ich in Würges gelassen. Im ersten Jahr wurden wir in der Bezirksliga (heute KOL) Dritter. Im zweiten Jahr lief es auch ganz ordentlich. Es stand gerade das Spitzenspiel gegen Steinfischbach an. Ich bekam aus heiterem Himmel einen Anruf von Otto Lüngen, der nur kurz feststellte: „Am Sonntag brauchen wir dich nicht mehr.“ Das war’s dann. Einen Grund habe ich allerdings nie erfahren.

flw24: Da war doch noch was mit Oberbrechen.

Ottmar Döring: Ja, eine kurze Episode als Trainer. Nach einem halben Jahr habe ich mich dann entschlossen, diese Funktion zu beenden. Ich habe ein FAX aufgelegt und den Knopf gedrückt. Es war eine persönlich unwiderrufliche Entscheidung.

flw24: Es war also die letzte Aufgabe in Trainerfunktion, aber in den Beinen juckte es noch.

Ottmar Döring: So ist es. In der SOMA beim RSV Würges ging es noch weiter. Und etliche Spiele bei den Hoechst Classique.

Im Allstarteam Hoechst Classique

flw24: Das musst Du erklären.

Ottmar Döring: Hoechst Classique ist so ein „Allstarteam“ von früheren Fußballern, die im Rhein-Main-Gebiet gespielt haben. Initiator war die Hoechst AG. Es ist eine Ehre dort mitzuspielen.

flw24: Und das Ganze Just for fun?

Ottmar Döring: Natürlich. Die Höchst AG war der Sponsor. Die Spieler spielen für eine Bratwurst. Was bei den Spielen reinkam, wurde für geistig- und körperlich behinderte Menschen gespendet. Die Aktion Leberecht ist ja allgemein bekannt.

flw24: Ottmar, wir kommen so langsam zum Ende, obwohl wir noch lange plaudern könnten. Wenn Du ein paar Highligts aus dem langen Fußballer-Leben aufzählen würdet?

Ottmar Döring: Da wir gerade bei den Hoechst Classique waren: Ein Traum war natürlich die dreiwöchige Mexiko-Reise. Die Teilnehmer mussten einen satten Sockelbetrag zahlen, aber die ganzen Kosten überstiegen diesen natürlich. Unsere Frauen waren mit eingeladen. Große Rundreise in Mexiko und tolle Eindrücke. Aus unserem Kreis waren z.B. Bernd Eufinger, Achim Maurer oder Jürgen Walli mit. Wir wurden komplett eingekleidet. Die Reisegesellschaft umfasste 90 Personen.

flw24: Wurde auch Fußball gespielt?

Ottmar Döring: Das versteht sich von selbst. Im Olympiastadion von Mexiko-City ging es gegen die U23 von Mexiko, im Aztekenstadion gegen Altinternationale von Mexiko. Da haben wir 2:6 verloren. Jürgen Walli hat zweimal getroffen. Es war ein Vorspiel zu einem Liga-Spiel. In der Riesenschüssel verloren sich die 10.000 Zuschauer. Der Rasen war eine einzige Katastrophe. Beim Bankett haben wir es dann mit Tequila etwas übertrieben, viel gesungen. Unser Trainer Klaus Fischer hat uns dann für den nächsten Morgen zum Straftraining bestellt.

flw24: Weitere bemerkenswerte Höhepunkte?

Ottmar Döring: Die internationalen Turniere mit den A-Junioren von Eintracht Frankfurt sind natürlich auch unvergesslich. Ostern 1973 spielten wir auf einem Turnier, das Olympia Laupheim veranstaltete. Teilnehmer z.B. neben Eintracht waren Hamburger SV, FC Bologna, FC Arsenal oder Sarajevo. Ein Turnier gab es in Viareggio. Der berühmte Sandro Mazzola von Inter Mailand war als Schirmherr anwesend.

flw24: Ottmar, wenn Du ein Fazit Deines Fußballer-Lebens ziehst, alles gut gelaufen? Oder würdest Du manches anders machen?

Ottmar Döring: Unter dem Strich würde ich das sicher noch einmal so machen. Naja, vielleicht hätte ich es im professionellen Bereich mal versuchen sollen. Aber so ist es auch nicht schlecht gelaufen

flw24: Ottmar, vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Dich.

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