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„Als Kind durfte ich gar kein Fußball spielen“

Interview mit Vollblut-Trainer Friedel Müller

Immer gut gelaunt - Friedel Müller aus Nauheim. Foto: flw24

Unser heutiger Interviewpartner ist DFB-Stützpunktrainer und aktueller Teamchef vom Verbandsligisten FC Dorndorf, Friedel Müller. Der allseits bekannte Nauheimer hat schon zahlreiche Trainerstationen im flw-Land begleitet und wollte sich eigentlich schon fußballerisch zur Ruhe setzen. Doch dann kam der Anruf aus Dorndorf und Friedel Müller gab nach eigener Auskunft seiner Leidenschaft „mal wieder nach“. Dass der ehemalige Oberligaspieler zudem auch die deutsche Winzer-Fußball-Nationalmannschaft trainiert und im Sommer an der Winzer-EM teilnahm, dürften die wenigsten wissen. Wir haben heute mit ihm über seine Trainer-Stationen und auch über seine berufliche Tätigkeit gesprochen, denn der 63-jährige hat seit nunmehr zwölf Jahren seine eigene Fensterbau-Firma. 

flw24: Hallo Friedel, wie bist Du eigentlich zum Fußball gekommen?

Friedel Müller: „Ich habe erst sehr spät angefangen, Fußball zu spielen. Mein Vater war Turner, daher war das Fußballspielen bei uns zu Hause nicht gern gesehen. Als Kind durfte ich nicht Fußball spielen. Ich habe in meiner Jugend geturnt, das hat mir auch viel Spaß gemacht. Ich war zwar ein ganz passabler Turner, aber irgendwann hat es nicht mehr gereicht. Allein von der Figur her war ich  nicht  geeignet, um ein Spitzenturner zu werden. Mit dem Fußballspielen habe ich dann heimlich angefangen. Ich bin samstagmittags extra mit den Gummistiefeln aus dem Haus und später wieder zurückgekommen, damit es keiner merkte. Zwischendurch war ich natürlich auf dem Fußballplatz in Nauheim und habe gekickt.“

flw24: Dein fußballerisches Talent wurde schnell erkannt. Wie ging es für Dich weiter?

Friedel Müller: „Im jüngsten A-Jugend-Jahrgang hatten wir mit der Spielgemeinschaft Nauheim/Heringen in der Vorbereitung zur neuen Saison ein Freundschaftsspiel in Wallrabenstein. Ein Auto voller Spieler hatte auf dem Weg dorthin einen Unfall, wobei alle Insassen langfristig verletzt ausfielen, so dass wir zur Saison keine Mannschaft stellen konnten.

Daraufhin wechselte ich zur TSG Oberbrechen und erlebte dort eine wirklich tolle Zeit. Wir waren sehr erfolgreich und sind im zweiten A-Jugendjahr sogar in die Hessenliga aufgestiegen. Damals war das die höchste Klasse, da gab es noch keine Junioren-Bundesliga. Ich bin gemeinsam mit vielen anderen aber aus der Jugend in den Seniorenbereich gekommen, direkt in die die erste Mannschaft der TSG. Zusammen sind  wir gleich in die damalige Bezirksliga aufgestiegen.

„13 Jahre beim RSV Würges“

Nach diesem ersten Senioren-Jahr bin ich zum RSV Würges gewechselt. Dort blieb ich 13 Jahre und habe unter anderem in der Oberliga gespielt. Unser größter Erfolg war damals sicherlich der Hessenpokal-Sieg 1980 und die anschließende Teilnahme an der DFB-Pokal-Hauptrunde. Leider sind wir  unglücklich mit 0:1 gegen Osnabrück ausgeschieden.

flw24: Und in Würges bist du dann auch zum Traineramt gekommen?

Friedel Müller: „Ja, das war meine erste Trainerstation. Dort hatte ich Mitte der 1970er-Jahre die zweite Mannschaft in der C-Liga übernommen und sie bis in die A-Klasse geführt. Zeitgleich habe ich  noch für die erste Mannschaft in der Oberliga, gleichzusetzen mit der heutigen Hessenliga, gespielt. Irgendwann wurde dann in der ersten Mannschaft der Trainer entlassen, und ich habe beide Mannschaften betreut.

„Von Würges nach Selters und zurück“

Nach meiner Zeit in Würges war ich sieben Jahre bei der SG Selters. In dieser Phase habe ich auch meine Trainerlizenzen erworben. Zunächst die B-Lizenz, anschließend in Hennef und Barsinghausen die A-Lizenz, die zu diesem Zeitpunkt nur wenige besaßen. Von Selters bin ich 1993 nochmal für ein Jahr nach Würges zurück. Über einen halbjährigen Abstecher nach Daisbach/Panrod war ich jeweils zwei Jahre beim FCA Niederbrechen und in Beuerbach. Anschließend trainierte ich drei Jahre lang die Sportfreunde Eisbachtal.

flw24: ... und dort hast Du Deinen heutigen Trainerkollegen vom TuS Dietkirchen, Thorsten Wörsdörfer, kennengelernt?

Friedel Müller: „Ja, dort habe ich mit Wörsi, der ja noch gespielt hatte, im Trainerstab zusammengearbeitet. Das hatte gut gepasst mit uns, und es war insgesamt eine wunderschöne Zeit in der Oberliga Südwest. Fußballerisch war es auf sehr hohem Niveau, und die Spiele waren immer von sehr vielen Zuschauern besucht. Wir haben damals gegen Mannschaften wie Saarbrücken, Koblenz, Montabaur oder Glas-Chemie Wirges gespielt. Oder auch gegen die zweite Mannschaft von Kaiserslautern mit Roman Weidenfeller und Miroslav Klose.“

flw24: Um es abzuschließen -wie ging Deine Fußball-Reise nach den Sportfreunden Eisbachtal weiter?

Friedel Müller: „Von dort aus ging es für drei Jahre  nach Weyer, ehe ich beim SV Wehen landete. In Wehen habe ich zwei Jahre lang gemeinsam mit eurem ehemaligen Kolumnisten Thomas Zampach die zweite Mannschaft trainiert. Anschließend wurde ich U17-Trainer und übernahm danach die U19. Insgesamt war ich sieben Jahre beim heutigen SV Wehen Wiesbaden und habe immer noch sehr gute Kontakte dorthin.“

flw24: Was würdest Du als den größten Erfolg in Deiner Trainerzeit verbuchen?

Friedel Müller: „Das war die Meisterschaft und der Aufstieg in die Junioren-Bundesliga mit dem SV Wehen Wiesbaden. Eine tolle Zeit, in der ich unter anderem Alexander Schwolow, heute Nummer 1 beim Bundesligisten SC Freiburg, Tim Albutat, der aktuell für den MSV Duisburg in der 3. Liga kickt, oder Florian Hübner, der mittlerweile für den Zweitligisten Hannover 96 spielt, trainierte. Leider sind nach dem Aufstieg einige wichtige Spieler aus Altersgründen aus der Jugend in den Seniorenbereich gekommen, so dass wir nicht den Bundesliga-Klassenerhalt erreichen konnten.

Einer unserer Gegner war der SC Freiburg, damals  von dem heutigen Bundesliga-Trainer  Christian Streich trainiert. Er war schon zu dieser Zeit sehr impulsiv an der Seitenlinie. Auf dem A-Jugend-Trainerkongress habe ich zudem Leute wie Mirko Votava oder Otto Addo, die in Bremen und Hamburg die Jugend-Teams trainiert hatten, kennengelernt. Das war eine sehr interessante Zeit.“

„Eigentlich war Schluss, bis die Anfrage aus Dorndorf kam ...“

flw24: Nach Wehen Wiesbaden sollte für Dich dann eigentlich Schluss sein als Trainer, oder?

Friedel Müller: „Ja, das ist richtig. Da ich noch beim hessischen Fußballverband und im Referenten-Pool für die Trainerausbildung tätig war bzw. bin, sollte eigentlich mit dem Trainer-Amt Schluss sein. Ich hatte auch zwei Jahre keinen Verein mehr betreut – bis die Anfrage aus Dorndorf kam. Ich wollte solange aushelfen, bis Willy Behr wieder einsatzbereit war, aber leider ist es ja dazu nicht gekommen. Dann hatten wir unter meiner Führung eine gute Saison gespielt, und ich verlängerte nochmal um ein weiteres Jahr. Der Job lässt einen einfach niemals los und man macht immer weiter.“ (Anmerkung der Red.: Friedel lacht)

flw24: Wie bist Du mit dem aktuellen Saisonverlauf in Dorndorf zufrieden?

Friedel Müller: „Mit unserem Saisonstart kann man ganz und gar nicht zufrieden sein. Wir haben darunter zu leiden, dass wir fünf Verletzte haben, von denen vier sogar schwerer verletzt sind und lange ausfallen. Zum Beispiel Lukas Horz, der richtig gut drauf und stets voller Herzblut gespielt hatte. Er fällt mit einem Kreuzbandriss aus. Das tut uns sehr weh. Es wird ohne Frage eine ganz schwere Saison für uns. Wir hoffen, dass unser Neuzugang Perquku  einschlagen wird. Bislang haben wir meist enge Spiele gehabt und oftmals erst kurz vor Schluss verloren. Das ist sehr ärgerlich, aber eben auch der Tatsache geschuldet, dass viele Leistungsträger fehlen.

„Hierarchie ist wichtig“

In einer Mannschaft braucht man eine gewisse Hierarchie. In unteren Klassen ist das aber schwieriger. Wir hatten im Sommer in Dorndorf mit Röhrig, Kim, Neugebauer und Mansur vier Abgänge zu verzeichnen, die eine zentrale Achse gebildet haben. Uns ist es bisher noch nicht gelungen, diese Spieler mit ihrer individuellen Qualität und ihrer Bedeutung für die Teamstruktur zu ersetzen. Dennoch haben wir tolle und gute Kicker dazu geholt und müssen nun alles daran setzen, dass wir es gemeinsam schaffen. Gerade in der Offensive brauchen wir Qualität, um in den entscheidenden Situationen das Richtige zu machen. Der Verein ist sehr zuverlässig und tut sehr viel für Spieler und Trainer.“ 

flw24: Neben dem FC Dorndorf trainierst Du auch noch die deutsche Winzer-Nationalmannschaft.

„EM-Finale verloren“

Friedel Müller: „Ja, das stimmt. Das hängt mit meinen Wehen-Kontakten zusammen, denn Jürgen Fladung, Vize-Präsident des SV Wehen Wiesbaden, steht bei der Winzer-Mannschaft im Tor. Die meisten Spieler haben Kreis- oder Bezirksliga-Niveau, der ein oder andere hat aber auch mal Oberliga- oder Landesliga-Erfahrungen gesammelt.  Es sind verschiedene Spieler, die deutschlandweit aus dem Bereich Weinbau kommen und deren zweite Leidenschaft der Fußball ist. In diesem Sommer wurde in Deutschland die Winzer-EM ausgetragen, das Finale war in der Coface Arena von Mainz 05. Es war ein richtig großes Ereignis im Juni. Ich habe die Mannschaft trainiert und viel Spaß dabei gehabt. Leider haben wir im Endspiel gegen Slowenien mit 2:3 verloren. Die Slowenen hatten aber auch ein paar ehemalige Profis dabei und  waren sehr stark. In zwei Jahren findet in Slowenien die nächste Winzer-EM statt - darauf freue ich mich schon sehr. Der offizielle Trainer der Mannschaft ist eigentlich Erich Ruthemöller, aber da er mittlerweile bei Fortuna Düsseldorf als Sportvorstand tätig ist, habe ich die deutsche Mannschaft bei der Europameisterschaft eigenverantwortlich geführt.“

flw24: Das klingt wirklich aufregend. Hast Du eigentlich bevorzugt schwierige Typen im Kader oder sind Dir „nette“ Jungs lieber?

„Wer immer mit dem Strom schwimmt, hinterlässt auch keine Spuren“

Friedel Müller: „Wer immer mit dem Strom schwimmt, hinterlässt auch keine Spuren. Man braucht auch immer mal schwierige Typen mit Ecken und Kanten. Das ist ganz wichtig. Wenn ich an meine Anfangszeit in Würges zurückdenke: wir waren damals eine Art Kreisauswahl mit den unterschiedlichsten Charakteren. Da waren auch sehr schwierige Typen dabei, die aber immer mal Sachen angestoßen haben, sodass nicht alles zu gradlinig verlaufen ist.“

flw24: Was ist Dir besonders wichtig bei der Arbeit mit Deinen Spielern - lässt Du Ihnen auch Freiräume?

Friedel Müller: „Man muss Rahmenbedingungen aufstellen, wonach sich alle Spieler richten müssen. Wie breit dieser Rahmen gesteckt ist, ist unterschiedlich. Es gibt gewisse Kriterien, die eingehalten werden müssen, so etwas wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. Es gibt natürlich immer Abweichungen in diesem gesteckten Rahmen, nur darf man als Spieler ganz einfach nicht über diese Linie hinauskommen, weil man dann als Trainer eingreifen muss – egal welcher Spieler das ist oder wie wichtig er für die Mannschaft ist. Das ist bei Bayern München und Real Madrid genauso.“

flw24: Noch ganz kurz, bevor wir zu Deiner beruflichen Tätigkeit kommen. Im Spiel gegen Dietkirchen bist Du ja mit Wörsi aneinander geraten. Was war denn eigentlich los?

Friedel Müller: „Wir haben in Dietkirchen zum ersten Mal gegeneinander um Punkte gespielt. Es ging dann mitunter etwas heiß her, da war auch ich mal kurz angefressen. Aber alles war nach dem Spiel auch wieder vergessen.  Ich finde es super, dass Wörsi nach Dietkirchen gegangen ist. Mich freut es sehr, dass es beim TuS so gut läuft. Das muss man nach den ganzen Abgängen erst einmal so hinbekommen.

flw24: Gebt ihr Euch gegenseitig auch mal Tipps für die Liga?

Friedel Müller: „Ja, wir tauschen uns regelmäßig aus, geben uns Informationen zu den taktischen Aufstellungen der Gegner.“

flw24: So soll es sein. Und jetzt noch zu Deinem Beruf. Viele wissen gar nicht, dass Du seit Jahren eine eigene Fensterbau-Firma hast. Wie kam es dazu?

Friedel Müller: „Ich habe eine Ausbildung zum Schlosser gemacht und viele Jahr in Würges beim Fensterbau Hasler gearbeitet, der damals unser Hauptsponsor in Würges war. Nach meiner Meisterprüfung bin ich zur Firma Noll nach Görgeshausen gewechselt und im Anschluss war ich bei einer Fensterbaufirma in Eschborn tätig. Als diese Firma irgendwann übernommen wurde und die Belegschaft nach Lüdenscheid umziehen konnte, habe ich meine eigene Firma in Nauheim gegründet. Das ist jetzt zwölf Jahre her. Mittlerweile habe ich drei feste Mitarbeiter, darunter einen Auszubildenden.

„Persönliche Beratung“

Wir stellen Fenster her und bauen sie ein. Wir sind dabei aber eher auf individuelle Arbeiten ausgelegt und nicht auf einfache Tätigkeiten, die jeder verrichten kann. Dabei ist mir die intensive persönliche Beratung meiner Kunden sehr wichtig. Ich bin selbst gerne noch dabei und lege Hand an. Das macht mir am meisten Spaß. Unser großer Vorteil ist, dass wir selbst fertigen können. Das gibt es sonst kaum in unserer Gegend.

Viele Kunden habe ich natürlich über den Fußball und über positive Mundpropaganda bekommen, größtenteils sind wir im Wiesbadener und Frankfurter Raum tätig. Aktuell arbeiten wir auch gerade an unserer Homepage, die bald online gehen wird.

flw24: Friedel, besten Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast und uns spannende Geschichten aus Deinem Fußballer- und Trainerleben erzählt hast. Wir wünschen Dir mit dem FCD einen erfolgreiche Saison und persönlich alles Gute für die Zukunft.