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25.000 auf der Krim

Erich Thorn mit dem Foto der Meistermannschaft von Darmstadt 98 Saison 1973. Foto: Claus Coester

 

Interview mit Erich Thorn (71), verheiratet, zwei Kinder (Sohn und Tochter), ehemaliger Spieler von TUS Dehrn und u.a. Eintracht Frankfurt und Darmstadt 98.

flw24: Herr Thorn, schön, dass wir Gelegenheit haben, miteinander zu plaudern. Wenn einer eine bunte Karriere als Fußballer hinter sich hat wie Sie, da kann er viel erzählen. Legen Sie bitte los. Wie war das bei Ihnen?

Erich Thorn: Wir sind ja hier in meinem Heimatort Dehrn. Hier habe ich von der Pike auf Fußball gespielt.

flw24: Die Jahrgänge, zu denen Sie gehören, d.h. so über den Daumen gepeilt die, die in den 1940er Jahren geboren sind, waren ja in der Geschichte des TUS die erfolgreichsten, so etwas wie die „Goldene Generation“.

Erich Thorn: Diesbezüglich hatten wir hier wirklich Glück. Als erster ist da natürlich Bernd Hölzenbein  zu nennen, der Weltmeister. 1965 spielten wir u.a. mit Udo Schwarz, Emil und Alois Waldherr und Willi Burggraf, um nur einige zu nennen. Bernd schoss uns damals in die zweite Amateurliga und wir hatten eine gut funktionierende Mannschaft. Aber nach dem Aufstieg ging unser Torjäger dann zur Eintracht und begann seine großartige Karriere. Für uns war es ein einjähriger Ausflug in den oberen Amateurbereich. Viele Spiele verloren wir nur knapp. Aber vorne fehlte uns einer wie Bernd, der die Tore machte.

Mit der Kreisauswahl gegen Eintracht Frankfurt

flw24: Sie spielten dann noch ein paar Jahre in Dehrn und dann gab es auch bei Ihnen einen Wechsel. Erzählen Sie.

Erich Thorn: Ja, das war interessant. Es spielte im Juni 1969 eine Kreisauswahl Limburg gegen die Bundesligamannschaft von Eintracht Frankfurt in der Lahnkampfbahn. Ein tolles Erlebnis. Unser Coach stellte Ewald Türk aus Wilsenroth und mich als Torhüter vor die Wahl, wer die erste Halbzeit spielen wollte. Da habe ich mich dafür entschieden und erwischte einen Bombentag. Bei den Profis der Eintracht spielte Nationalspieler Friedel Lutz mit. Der wusste, dass Udo Klug, der Trainer von Eintracht II, einen weiteren Torwart suchte und empfahl mich.

flw24: Und dann?

Erich Thorn: Das Übliche. Ich wurde zum Probetraining eingeladen und Klug wollte mich.

flw24: Wie war das mit der beruflichen Seite. So mir nichts dir nichts von Dehrn nach Frankfurt?

Erich Thorn: Das hat die Eintracht schon geregelt. Ich war beschäftigt als Großhandelskaufmann bei der Firma Hammerschlag in Limburg. Die Verantwortlichen vermittelten mir einen sicheren Arbeitsplatz bei der Firma Münstermann in Frankfurt in der gleichen Branche. Da blieb ich dann mein ganzes berufliches Leben lang.

flw24: Wie war das mit dem Wohnen, dem sportlichen Erfolg und dem Zubrot?

Erich Thorn: Mit dem Wohnen war es völlig unproblematisch. Gert Trinklein, der ja lange bei der Eintracht in der Bundesliga gespielt hat, besorgte mir ein Zimmer bei seiner Oma. Sportlich hatte ich Rudi Knobloch noch vor der Nase. Ab Frühjahr 1970 war ich dann erster Torwart in der Oberligamannschaft, die als Drittligist in der Oberliga Hessen spielte. Mit dem Zubrot war es nicht schlecht, ein fester Sockelbetrag und Prämien, natürlich keine Reichtümer. Aber es war auch nicht schlecht.  

flw24: Was würden Sie sportlich hervorheben?

Erich Thorn: In der Saison wurden wir Hessenmeister und nahmen als solcher an der deutschen Amateurmeisterschaft teil. Gegen Viktoria Hamburg qualifizierten wir uns für die nächste Runde, gegen Eintracht Braunschweig II war dann leider Schluss.

"Als Stammtorwart der Oberligamannschaft machte ich gelegentlich bei den Profis mit"

flw24: Kamen Sie eigentlich mit dem Profikader in Berührung?

Erich Thorn: Wir als 1. Amateurmannschaft waren ja das, was später U23 hieß. Als Stammtorwart der Oberligamannschaft machte ich gelegentlich bei den Profis mit, dann nämlich wenn einer der beiden Stammtorhüter Dr. Kunter und Feghelm verletzt waren. Dr. Kunter hatte damals einen Autounfall. Da holte mich der Cheftrainer Erich Ribbeck hoch zu den Profis. Feghelm war in der Phase die Nummer 1 für die Bundesliga und ich saß mehrere Male bei Bundesligaspielen auf der Bank.

flw24: Wie war das mit dem Training?

Erich Thorn: Die Amateure trainierten im Normalfall dreimal in der Woche.

flw24: Bedauern Sie etwas bei Ihrem Wechsel nach Frankfurt?

Erich Thorn: Eigentlich nicht. Oder…vielleicht hätte ich es 1966 schon probieren sollen.

flw24: Nur zwei Jahre wurden es dann am Main. Wieso eigentlich? Sie waren Stammtorwart.

Erich Thorn: Udo Klug wurde in der Saison 1971/72 Cheftrainer bei Darmstadt 98 in der zweiten Liga, die damals Regionalliga Süd hieß. Er nahm ein paar Spieler von Frankfurt mit, insgesamt 6. Von den Profis z. B. Manfred „Gino“ Wirth, Lindemann und von den Amateuren Hartwig Droste aus Ahlbach und mich als Torwart. Ich bekam einen Vertrag für zwei Spielzeiten, kam aber an dem ersten Torwart Uwe Ebert nicht vorbei. Der spielte schon 10 Jahre bei den Lilien, war so etwas wie ein Denkmal und tat mir nicht den Gefallen, mehr als ein schlechtes Spiel mal zu machen (lacht). Insgesamt kam ich in der zweiten Liga zu acht Punktspieleinsätzen.

Aufstiegsrunde zur Bundesliga

flw24: Erinnern Sie sich noch an das eine oder andere Punktspiel, in dem Sie eingesetzt waren, und wie  schnitten die Darmstädter damals ab?

Erich Thorn: Ja, z. B. gegen  1860 München, Reutlingen oder Schweinfurt durfte bzw. musste ich ran. In der zweiten Saison wurden wir Meister in der Regionalliga Süd und nahmen an der Aufstiegsrunde zur Bundesliga teil. Aufgestiegen ist schließlich Rot-Weiß Essen mit „Ente“ Lippens, Diethelm Ferner und anderen später bekannten Bundesligaspielern. Wir wurden Zweiter in der Gruppe.

flw24: Mit dem Wechsel in die zweite Liga wuchs doch die Belastung, zumindest was den Trainingsaufwand betraf. Sie waren quasi Halbprofi. Wie konnten Sie das mit dem Beruf als Großhandelskaufmann vereinbaren.

Erich Thorn: Da waren die entscheidenden Leute in der Firma Münstermann großzügig, wenn sie als Frankfurter auch nicht gerade Fans der 98er waren. Nein, das ging gut. Zur Not musste ich Stunden nacharbeiten.

flw24: Gab es außer in der Kreisauswahl in dem oben bereits erwähnten Spiel, in dem Sie ja entdeckt wurden, Einsätze in anderen Auswahlmannschaften?

Erich Thorn: Es gab ja nur selten Hessenauswahlspiele. Insgesamt habe ich vielleicht fünf oder sechs Einsätze gehabt. Darunter ein weiteres gegen die Bundesligamannschaft der Eintracht und dann noch zwei Länderpokalspiele, eines gegen die Auswahl von Niedersachsen und das Saarland. 1971 haben wir gegen die deutsche Olympiaauswahl für München 1972 in Wiesbaden verloren. Paul Breitner und Uli Hoeneß waren dabei.

flw24: Nach vier Jahren in der „Fremde“, wenn ich es so nennen darf, ging es dann wieder in heimische Gefilde. Die Liste der Amateurvereine ist ganz üppig. Kriegen Sie die noch zusammen?

Erich Thorn: Da kommt in der Tat schon was zusammen. Ab der Saison 1973/74 war ich dann wieder im Kreis. Kurz als Spieler, dann lange als Spielertrainer. Zwei Jahre in Dehrn, dann waren fünf Jahre Hadamar darunter. Sieben Jahre Hintermeilingen/Ellar.

Vom Torwart über Stürmer zum Libero

flw24: Sie haben das Metier gewechselt.

Erich Thorn: Richtig. Ich habe das Tor verlassen, lange Mittelstürmer gespielt, aber später auch Libero.

flw24: Wie klappte es mit dem Tore schießen?

Erich Thorn: Eigentlich ganz gut. In der Hintermeilingen/Ellarer Zeit, d.h. 5 Jahre nach heutigen Bezeichnungen A-Liga und 2 Jahre in der KOL, kam ich auf 265 Pflichtspieltore.

flw24: Kein schlechter Saisondurchschnitt. Da braucht man keinen Taschenrechner. In der ersten Hälfte Ihrer Vierziger war dann aktiv Schluss.

Erich Thorn: Ja. Dann war ich nur noch Trainer. 4 Jahre bei Nord, 6 bei Hadamar, ein Abstecher nach Offheim, 5 Jahre Dehrn, Heckholzhausen, 5 Jahre in Lahr, 2 Jahre bei Gräveneck/Seelbach. Dann war Schluss.

flw24: Dann hatten Sie quasi die Rente durch…

Erich Thorn: Ja, so kann man das sagen.

flw24: Herr Thorn, eine richtige Fußballreise mit attraktiven Haltepunkten haben Sie da gemacht. Wenn Sie ein paar Höhepunkte nennen sollten, was gehört dazu?

Erich Thorn: Mit Darmstadt 98 Meister der Regionalliga Süd zu werden, war schon ein schönes Gefühl, auch wenn ich die Nummer 2 war. Highlights waren Reisen nach Russland und Zypern. Als Belohnung für die Hessenmeisterschaft machten wir mit Eintracht Frankfurt II eine tolle Reise über 14 Tage nach Russland. Moskau und die Krim waren u.a. das Ziel. In Sewastopol auf der Krim spielten wir gegen den dortigen Zweitligisten. Da kamen sage und schreibe 25.000 Zuschauer. Auf Zypern spielten wir gegen Omonia Nikosia auf einem Hartplatz. Ein besonderes Spiel in meiner Erinnerung war gegen VFB Gießen in der Hessenliga.

flw24: Was passierte in Gießen?

Erich Thorn: Ich hatte einen richtig guten Tag und konnte das 1:0 festhalten.

flw24: Herr Thorn, Sie hätten sicher noch Manches zu erzählen. Vielen Dank für das interessante Gespräch. Ich wünsche Ihnen und Ihrer Gattin alles Gute.