Anzeige

„Wenn die Spieler im Bett sind, gibt es den Absacker an der Hotelbar“

Interview mit Georg Behlau, Chefplaner der DFB-Elf (TEIL II)

Dominik Groß und Timm Henecker zu Gast bei Georg Behlau in der DFB Zentrale in Frankfurt am Main.

Georg Behlau im Gespräch mit Timm Henecker.

Georg Behlau vor dem Modell der neuen DFB Akademie.

flw24: Wie können wir uns Deinen EM-(Arbeits-)Tag denn so vorstellen? Und wie ist der Kontakt beispielsweise zu Jogi Löw während des Turniers?

Georg Behlau: Jeden Morgen um neun starten wir mit einem Jour-Fix, wo die Führungscrew um Oliver Bierhoff zusammenkommt und den Tag bespricht. Jogi Löw ist als Bundestrainer ganz sicher der Mann mit dem meisten Druck während des Turniers. Wir als Kollegen im technischen Stab versuchen, ihn natürlich mit unserer Arbeit aus den verschiedensten Fachgebieten so gut wie möglich zu unterstützen. Tagsüber läuft dann jeder Bereich sehr eigenständig: die Pressekonferenzen, die Trainings, die Behandlungen bei den Physios, die Arbeit der Zeugwarte und unsere organisatorischen Vorkehrungen im Büro. Abends um elf, wenn die Spieler ins Bett gegangen sind, treffen wir uns im sogenannten Team hinter dem Team dann nochmal in lockerer Runde und besprechen den Tag an der Hotelbar. Wir haben vier Ärzte, vier Physios, einen eigenen Koch, drei Fitnesstrainer, zudem noch sechs DFB-Kollegen, die sich um die Medienarbeit kümmern, das Orga-Team mit vier Leuten und noch die beiden Scouts. Da kommt schon immer noch eine schöne Gruppe zusammen.

flw24: Das ist also das mittlerweile berühmte Team hinter dem Team? 

Georg Behlau: Ja, bei der A-Mannschaft ist das mittlerweile ein fester Begriff, der in der Öffentlichkeit auch so wahrgenommen wird. Angefangen hat das beim Confed Cup 2005, unserem ersten Turnier in dieser Form. Nach dem Spiel um Platz Drei sind wir damals im Leipziger Stadion allesamt auf den Rasen und haben uns bei den Fans für die tolle Unterstützung bedankt. Diesen Zusammenhalt des Funktionsteams kannte man so vorher ja nicht unbedingt. Über die Jahre ist da echt ein tolle Kameradschaft unter all diesen Experten gewachsen. (Anmerkung der Red.: Georg zeigt uns ein Bild mit Mitarbeitern der Nationalmannschaft auf dem Rasen der Leipziger WM Arena, nach dem Spiel um Platz 3 beim Confed Cup 2005).

flw24: Wie ist dein Kontakt zu den Spielern?

Georg Behlau: Gut, viele Jungs kenne ich ja jetzt schon sehr lange. Ich habe in der Generation Ballack und Kahn angefangen, über die Jahre lernt man viele Fußballer kennen. Natürlich hat man auch zu dem ein oder andren einen engeren und dauerhaften Kontakt, auch über die Zeit bei der Nationalmannschaft hinaus. Inzwischen bin ich 47 Jahre und habe graue Haare, da ist es normal, dass mein Kollege Thomas Beheshti, der eine paar Tage jünger ist als ich, einen anderen Draht zu den jungen Spielern hat. Und das ist auch gut so.

flw24: Und jetzt zur wichtigsten Frage: Werden wir Deiner Meinung nach den EM-Titel holen?

Georg Behlau: Ich will mich da nicht drücken, aber der Orga-Chef ist nicht dafür da, um über das Fußballerische zu urteilen. Aber ich sage mal so, wenn du einmal Erfolg hattest und weißt, wie sich das anfühlt, dann willst du diesen Erfolg wiederholen. Und deswegen werden wir alles dafür tun und ich denke, dass wir trotz der letzten anderthalb Jahre, die weniger erfolgreich verliefen, dennoch gute Chancen haben. Die Spieler sind immer selbstkritisch gewesen und wussten, dass es nach dem Titelgewinn in Brasilien schlechtere Phasen geben würde. Ich bin mir sicher, dass Jogi und die Spieler sehr genau wissen, was zu tun ist. Letztlich gehört aber auch ein gutes Stück Fortune dazu, schließlich streben auch 23 andere Mannschaften dieses Jahr nach Europas Fußballkrone.

flw24: Wie müssen die Rahmenbedingungen für die Spieler sein und was gilt es, bei so einem Turnier zu beachten?

„Es ist einfach etwas Besonderes mit dem Adler auf der Brust zu spielen“

Georg Behlau: Da spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Wir haben eben noch diskutiert (Anmerkung der Red.: Vor unserem Besuch führte Georg noch eine Video-Konferenz mit Oliver Bierhoff), welchen Geist wir in Evian entfachen wollen und können. Also, wie wollen wir das Turnier angehen. Beim letzten Länderspiel waren nur noch 13 Weltmeister im Kader, der Rest waren neue Jungs. Das heißt, wir müssen die Weltmeister wieder motivieren und bei den neuen Spielern den Geist und die Mentalität vermitteln, den die anderen, die schon Jahre dabei sind, schon verinnerlicht haben. Die ganz neuen wissen ja noch gar nicht wie es bei uns mannschaftskulturell läuft. Das ist sicherlich eine der größten Herausforderungen bei der Nationalmannschaft. Bei uns kommen die Spieler ja nur zu gelegentlichen Treffen zusammen. Wichtig ist, dass sie sich neben ihren anderen Verpflichtungen voll und ganz auf die Nationalmannschaft einlassen. Es ist einfach etwas Besonderes das Nationaltrikot zu tragen.

„Müssen uns bei jedem Turnier neu erfinden“

Dazu kommt: Wir sind bei einem Turnier sieben Wochen in Hotels. Hotelzimmer sind die einsamsten Orte der Welt. Mal ehrlich, wenn man 70 Männer mehrere Wochen zusammen in ein Hotel steckt, dann entwickelt sich ganz schnell ein Lagerkoller; deswegen müssen wir den Aufenthalt abwechslungsreich und interessant gestalten und nach Möglichkeit eine Art zu Hause kreieren. Wir achten darauf, dass wir oft raus kommen und sich auch ein soziales Leben entwickeln kann. So wie bei den Wohngemeinschaften in Brasilien. In Evian ist es jetzt wieder ein normales Hotel, da müssen wir uns wieder komplett neu erfinden.

flw24: Du sprichst es gerade an: die WM in Brasilien. Das war sicherlich zum einen eine ganz besondere Aufgabe und zum anderen ein Wahnsinns-Erlebnis, oder?

„Brasilien war einfach krass“

Georg Behlau: Ja, für Brasilien haben wir mit der Vorbereitung in der Tat zweieinhalb Jahre vorher angefangen. Das war eine Mammutaufgabe, in diesem riesengroßen Land alles logistisch so hinzubekommen, wie wir es wollten. Vor der letzten Euro 2012 waren wir schon dreimal in Brasilien und haben uns dort alles angeschaut. Ein riesiges Land mit unterschiedlichen Zeitzonen und unterschiedlichen Klimazonen, das ist einfach krass. Die Idee, dass das Campo Bahia der wohl  am besten geeignete Ort sein könnte, der so ziemlich alle klimatischen und logistischen Probleme löst, ist Oliver dann beim Confed Cup 2013 auf gemeinsamer Tour mit Jogi gekommen. Der Weg zum perfekten Team Base Camp war äußerst intensiv und hat mich zwischenzeitlich viele Nerven gekostet. Umso schöner sind nun die vergoldeten Erinnerungen! Einige Impressionen habe ich an der Foto-Wand in meinem Büro verewigt – ganz besondere Momente und einmalige Erfahrungen.

flw24: Wo hast Du beim WM-Finale gesessen?

Georg Behlau: Bei den Turnieren sitzt der Stab, der nicht auf der Bank Platz findet - da dürfen ja auch immer nur elf Leute sitzen - generell direkt hinter der Bank im Innenraum. Nach dem WM-Sieg war ich dann natürlich auch auf dem Platz und habe gemeinsam mit dem gesamten Team diesen wunderbaren Moment genossen. (Anmerkung der Red.: Auf einem der Fotos ist Georg mit WM-Pokal in Rio abgelichtet – Gänsehaut!).

flw24: Von Rio müssen wir jetzt irgendwie den Bogen nach Limburg spannen – beides sind ja schöne Städte. Wie bist du nach Limburg bzw. ins flw-Land gekommen?

„Meine Frau und ich haben uns in Limburg verliebt“

Georg Behlau: Natürlich durch mein Engagement beim DFB. Zunächst beruhte es ja in meiner Anfangszeit noch auf Jahresverträgen, dann wurde der Vertrag dauerhaft verlängert und ich habe meine Frau aus Aachen nachgeholt. Frankfurt selbst war nicht so mein Favorit, daher haben wir uns dann hier in der Gegend, d.h. Fluchtlinie A3 Richtung Aachen/Köln, wo ein Großteil meiner Familie lebt, umgeschaut. Schließlich haben wir Limburg mit dem Dom gesehen, – zu dieser Zeit wurde auch gerade der ICE-Bahnhof gebaut - sind durch die Altstadt geschlendert und haben uns im wahrsten Sinne in Limburg verliebt. Für mich war es dann auch vollkommen okay, jeden Tag die 70 km zu pendeln und so sind wir in Limburg heimisch geworden.

flw24: Und dann bist Du ziemlich schnell zu Limburg 07 gekommen?

Georg Behlau: Als Rheinländer bin ich jemand, der auf die Menschen zugeht. Ich bin irgendwann mal zu den Alten Herren von Limburg 07 gegangen – und auch wenn ich Leichtathlet war, konnte ich zumindest ein bisschen kicken – und die haben mich mitspielen lassen. Als dann die WM 2006 kam und die Limburger irgendwann wussten, was ich beruflich so mache, habe ich gesagt, dass ich beim Verein auch mithelfen und mich engagieren möchte. Mein Sohn hat damals auch angefangen, Fußball zu spielen und so kam eines zum anderen.

„07 war ein Patient am Tropf“

Man muss aber ehrlich sagen, Limburg 07 war zu dieser Zeit zwar ein Traditionsverein, der aber bei genauerem Hinsehen am Boden lag. Es war eher ein Patient, der am Tropf hing. Das hat Wolfgang Immel, unser Präsident, versucht, mit einer jungen Vorstandsmannschaft, der ich dann angehörte, zu ändern. Wir haben das in den letzten Jahren alles soweit ganz gut hinbekommen, denke ich. Wir haben den Verein entschuldet und eine gute Infrastruktur aufgebaut. Wir sind einer der ganz wenigen Vereine in der Region, der ganz ohne Spielgemeinschaften seine eigene Jugend von der F- bis zur A-Jugend stellt und dies mit wachsendem Erfolg.

Und wir bekennen uns bei 07 zu unserem Konzept. Sascha Merfels, der als echter 07er jahrelang eine tolle Zeit beim TuS Dietkirchen hatte, ist als junger Trainer unserer Senioren zu uns zurückgekehrt und hat in seinen beiden ersten Jahren schon tolles erreicht. Für die neue Saison wird er unser Team von jungen Spielern gemeinsam mit seinem Freund Stefan Stöhr, der acht Jahre lang Kapitän des TuS Dietkirchen war und aus Wirbelau-Schupbach an den Stephanshügel wechselt kontinuierlich weiterentwickeln. Gemeinsam mit unseren erfahrenen Trainern im Bereich der A- und B-Junioren Alhaji King und Andreas Seibert sind wir überzeugt, auf einem guten Weg zu sein. Unser Ziel ist sicherlich in den kommenden Jahren in der Kreisoberliga zu spielen.

flw24: Georg, abschließend möchten wir uns noch bei Dir für das Interview und Deine Zeit bedanken. Für uns Außenstehenden hast Du sicherlich einen Traumjob - so nah dran an der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Vielen Dank für das Gespräch und die Einblicke.

Georg Behlau: Gerne, ich bedanke mich für Euren Besuch. Alle zwei, drei Tage informiere ich mich bei flw24 über den Fußball in unserer Region und finde es wirklich klasse, wir ihr das macht.

Ich weiß sehr zu schätzen, dass ich im Fußball mein Geld verdienen darf und weiß, was für eine fantastische Aufgabe ich bei der Nationalmannschaft habe. Aber ich fühle mich auch auf Kreisliga-Ebene und an der Fußball-Basis sehr wohl und ich kann Euch eines sagen: „Soweit sind diese Welten gar nicht auseinander“.

Das Interview führte Timm Henecker