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„Ein Scout hätte mich wohl nie entdeckt, da habe ich einfach selbst bei Werder Bremen angerufen“

Interview mit Ex-Nationalspieler Simon Rolfes

Simon Rolfes mit dem neuen City-Sport Chef Christian Michel (rechts) und Dominik Groß (links).

Der sympathische Ex-Profi Simon Rolfes stand Rede und Antwort.

Zahlreiche Leverkusen Fans waren in der WerkSTADT vertreten. (Fotos: flw24)

Anlässlich des Inhaberwechsels bei City Sport in der WERKStadt Limburg war der ehemalige Bundesligaprofi und Ex-Nationalspieler Simon Rolfes vor einigen Wochen zu Gast in der Domstadt. Auch die flw-Redaktion war bei diesem Termin zugegen und hat für Euch das vor Ort geführte Interview mit Simon Rolfes noch einmal zusammengefasst.

flw24: Hallo Simon, wie hat denn bei Dir eigentlich alles mit dem Fußball angefangen?

Simon Rolfes: Bei mir war das relativ einfach und vorgegeben. Ich habe drei ältere Brüder, die allesamt immer Fußball gespielt haben und was bleibt dann anderes übrig, als mitzuspielen. Anfangs haben sie mich ins Tor gestellt, weil ich noch nicht wirklich mitspielen konnte, aber das hat auch irgendwo den Ehrgeiz in mir erweckt, besser zu werden und selbst Tore zu schießen. Ich habe dann versucht meinen älteren Brüdern auf dem Platz das Leben schwer zu machen und dieser Ehrgeiz hat mir in meinen Anfangsjahren beim Fußballspielen womöglich sehr viel geholfen.

Ich bin dann relativ spät mit 17 Jahren von meinem kleinen Heimatdorf zu Werder Bremen gewechselt, weil schon erkennbar war, dass ich ein ganz passabler Kicker war. Aber in diesem Alter scoutet dich keiner mehr, so dass mir nix anderes übrig blieb, als selbst dort anzurufen und vorstellig zu werden. Zunächst hatte ich es übrigens bei Hannover 96 versucht, weil meine Brüder in Hannover studierten, aber der damalige A-Jugendtrainer Mirko Slomka hatte keine Zeit. Aber gut, Werder Bremen war in der Jugend immer mein Lieblingsclub und so habe ich dort angerufen und die haben mir gesagt „kein Problem, komm doch mal vorbei“. Dann habe ich dort drei Probetrainings absolviert und bin anschließend ins Internat aufgenommen worden. Hätte ich darauf gewartet, bis mich Werder Bremen oder ein anderer Club scoutet, so wäre ich wahrscheinlich niemals Profi geworden. Das ist sicherlich eine Kuriosität im Profi-Geschäft, die es eher relativ selten gibt.

„Meine Lieblingsspieler waren Maradona und Andreas Herzog“

flw24: Hattest Du in Deiner Jugendzeit denn bestimmte fußballerische Vorbilder?

Simon Rolfes: Klar hatte ich in meiner Jugend auch Idole. In den Achtzigern war es Maradona, in den Neunzigern mein Lieblingsspieler bei Werder Bremen Andreas Herzog. Jeder Fußballer hat wahrscheinlich gerade in jungen Jahren seine Idole und Vorbilder, bei denen man sich einiges abschaut. Ich denke auch, dass Vorbilder extrem wichtig sind und die Vorbildfunktion gerade bei Nationalspielern eine enorme Bedeutung für Jugendliche hat. Es ist oftmals eine wichtige Weiterentwicklung bei jungen Spielern zu erkennen, wenn Sie ihren Vorbildern nacheifern und sich  Sachen abschauen. Kinder müssen Vorbilder haben, um weiter zu kommen und gerade als Nationalspieler muss man dieser Rolle auch gerecht werden.

flw24: Wenn wir auf Deine Karriere zurückblicken, verbinden wir Simon Rolfes hauptsächlich mit Bayer Leverkusen. Aber mit Werder Bremen wurdest Du Deutscher Meister und Pokalsieger. Was ist denn für Dich persönlich der größte sportliche Erfolg in deiner Karriere?

Simon Rolfes: Bei Bremen war ich als ganz junger Spieler Teil des Kaders und es war ein tolles Erlebnis Meister und Pokalsieger zu werden. Das war eine schöne Erfahrung, auch wenn ich dort nicht zum Einsatz kam. Die Zeit zwischen Bremen und Leverkusen bei Alemannia Aachen war ebenfalls eine phantastische Zeit und natürlich auch die Zeit in der Nationalmannschaft, als wir Vize-Europameister wurden, und selbstverständlich auch die Zeit bei Bayer 04. Es gibt sicherlich viele schöne Momente, aber auch der Alltag als Fußball-Profi ist einfach sehr angenehm.

flw24: Da würden wir aber gerne mal nachhaken. Was war denn der schönste Moment in Deiner Karriere?

Simon Rolfes: Da gibt es zu viele. Aber das Schönste als Fußballer ist immer, ein Tor zu schießen. Das ist einfach toll und wenn es dann noch  entscheidende Tore sind, ist es umso besser. Auch wunder bar ist es, schwierige Spiele zu gewinnen, wo man als Underdog in die Partie geht. Das waren auch immer ganz besondere Momente. Ich erinnere mich da gerne an die EURO 2008 im Viertelfinale in Basel gegen Portugal. Die Portugiesen mit Ronaldo und Deco waren damals der Turnier-Favorit und sich absolut sicher, dass sie uns schlagen würden. Und dann war es einfach grandios, als wir dieses Spiel mit 3:2 gewinnen konnten. Die Portugiesen waren danach so frustriert, dass sie noch nicht einmal die Trikots tauschen wollten. Unvergessen bleibt für mich ebenfalls ein 2:1-Sieg mit Leverkusen bei den Bayern nach über 20 Jahren. Es gibt aber nicht den einen Moment, es gibt einfach viele unglaublich tolle Momente.

„Vor meiner Verletzung war ich 141 Bundesliga-Spiele in Folge auf dem Platz“

flw24: Wie im Leben, gibt es aber nicht nur gute Zeiten, sondern auch schwierige Zeiten als Fußball-Profi. Du hattest in der Saison 2009/10 enormes Verletzungspech mit Innenbandriss und Knorpelschaden und so ein regelrechtes Seuchenjahr. Wie geht man mit so etwas um?

Simon Rolfes: Bei mir war es damals doppelt hart. Ich war vor meiner Verletzung 141 Bundesliga-Spiele in Folge auf dem Platz, was zuvor seit den Achtzigern kein Akteur mehr geschafft hatte. Und dann kam wirklich in einem Jahr alles zusammen. Nach der dritten OP stellte sich dann sogar die Frage, ob ich die Karriere als Fußballer überhaupt noch fortsetzen kann. Und das war ausgerechnet vor der WM 2010, was ich als Höhepunkt in meinem Sportlerleben angesehen hatte – ich war damals im besten Fußballeralter von 28 Jahren. Es ging dann plötzlich nicht mehr nur noch darum, dass ich dieses Turnier verpasse, auf das ich lange Zeit hingearbeitet hatte, sondern auch darum, ob ich überhaupt je wieder Fußball spielen werde und das war schon verdammt hart. Die WM habe ich damals auch nicht fröhlich vorm Fernseher verfolgen können, ich war da einfach zu geknickt.

Da heraus gekommen bin ich schließlich durch viel Disziplin und professionelles Arbeiten. Viel Spaß hat man in solch einer Phase nicht unbedingt. Man muss einfach immer optimistisch bleiben und sich an den kleinen Schritten erfreuen, die man macht. Ich habe mir für die Reha extrem viel Zeit genommen, was sich letztendlich ausgezahlt hat. Irgendwann ging es dann tatsächlich wieder auf den Platz zurück und ich habe wieder richtig spielen können.

flw24: Wie kann man sich denn eigentlich den Konkurrenzkampf innerhalb einer Bundeliga-Mannschaft vorstellen? Die Mitspieler sind ja gleichzeitig Freunde, Kameraden aber auch Konkurrenten.

„Gute Teams haben die richtige Balance“

Simon Rolfes: Das ist nicht immer einfach. Zunächst kommt ja jeder Einzelne zu einem Verein, um dort zu spielen. Das ist ja klar. Jeder will einen von diesen elf Plätzen haben und somit ist man zunächst einmal intern ein Konkurrent und versucht den anderen zu verdrängen. Aber trotzdem muss man mit den anderen 25 ein Team bilden und versuchen zusammenzuarbeiten und zusammenzuhalten, denn nur dann ist man als Mannschaft erfolgreich. Das ist schon eine permanente Herausforderung zwischen dem Einzeldenken und dem Teamdenken. Die guten Teams schaffen eine gute Balance, da steht der Teamerfolg über den Einzelinteressen und es herrscht ein fairer Konkurrenzkampf. Wo so etwas funktioniert, damals etwa bei meiner Zeit in Aachen, da ist dann auch Außergewöhnliches möglich.

flw24: Du warst ja auch lange Jahre Kapitän der Bayer-Elf. Hat man da eigentlich besondere Rechten und Pflichten?

Simon Rolfes: Ich wurde damals Kapitän, weil ich immer gespielt habe und eine gewisse Qualität hatte. Aber ich denke, dass es auch immer mit der Persönlichkeit zusammenhängt, ob man dieses Amt ausführen möchte. Mir hat es immer Spaß gemacht, voran zu gehen und Dinge in einer Mannschaft zu entwickeln und anzusprechen, also Verantwortung zu übernehmen. Die Rechten und Pflichten kann man relativ frei bestimmen, je nachdem wie man eine Mannschaft führt – das hängt stark von einem selbst ab.  Privilegien hat man als Kapitän im Prinzip nicht, denn die Leistung muss immer gebracht werden und nur das zählt. Wenn die nicht stimmt, wird man auch als Kapitän auf die Bank gesetzt. Die Pflicht ist es als Kapitän, das Team zu führen und den Trainer zu unterstützen. Gleichzeitig muss man aber auch Ansprechpartner für die anderen Spieler, vor allem die jungen Spieler, sein. In schwierigen Phasen darf man als Kapitän auch mal dazwischen hauen und der Mannschaft einen Impuls geben, das wird sicherlich auch von einem Kapitän erwartet.

flw24: Fans spielen eine große Rolle im Fußball. Wie ist es eigentlich, wenn man bei einem Gastspiel im Stadion gnadenlos ausgepfiffen wird? Bekommt man das mit oder blendet man das vollkommen aus?

„Die Fans erzeugen eine unglaubliche Energie“

Simon Rolfes: Natürlich bekommt man das mit und es fühlt sich nicht gut an, wenn man ausgepfiffen wird.  Man bekommt im Stadion sehr genau die Stimmung der Fans mit, vor allem wenn es nicht so gut läuft. Wenn es gut läuft, ist man oftmals eher bei sich selbst und man nimmt das Außenherum gar nicht so komplett wahr. Wenn die Zuschauer pfeifen muss man versuchen, Distanz zu bekommen und sich auf sein Spiel zu konzentrieren. Man darf das dann nicht an sich heranlassen und sich abkapseln, sonst ist es verdammt schwierig Leistung zu bringen.

An sich haben die Fans eine enorm wichtige Bedeutung und großen Einfluss, denn sie können eine unglaubliche Energie erzeugen – positiver wie auch negativer Art. Als Spieler muss man damit klarkommen und  das ist eine große Herausforderung. Als junger Spieler hat man meistens noch viel Kredit. Der nimmt aber sehr schnell ab, da die Erwartungen schnell steigen.

flw24: Du hast insgesamt 26 Spiele für die Nationalmannschaft bestreitet. Was ist es für ein Gefühl für seine Nationalmannschaft aufzulaufen?

„Die Nationalmannschaft ist der Traum eines jeden Fußballers“

Simon Rolfes: Das ist schon etwas ganz besonderes. Der Druck für Deutschland zu spielen, ist zwar extrem hoch, weil alle bei großen Turnieren immer sehr viel erwarten. Vor dem Halbfinale braucht man ja da gar nicht heimzukommen. Auf der anderen Seite ist aber auch unglaublich schön für sein Land zu spielen, denn das ist die Königsklasse und der Traum eines jeden Fußballers. Für jeden Bundesliga-Profi ist es ein besonderes Ziel auch in der Nationalmannschaft zu spielen, denn es macht einen unglaublich stolz.

flw24: Wie geht es bei Dir jetzt in der Zeit nach dem Fußball weiter? Hast du den Schritt, deine Karriere relativ frühzeitig zu beenden, schon bereut?

Simon Rolfes: Nein, bereut habe ich bislang nichts. Ich denke es war einfach an der Zeit und die richtige Entscheidung. Mein Ziel war immer, auf dem Platz zu stehen und ein Top-Niveau zu haben. Ich habe dann irgendwann gemerkt, dass es immer schwerer wird, dieses Niveau zu halten, weil die körperliche Komponente einfach unglaublich entscheidend ist und man auch im hohen Fußballer-Alter sehr viel trainieren muss. Zudem habe ich gespürt, dass die Zeit einfach auch reif ist, etwas Neues zu machen und neue Dinge im Leben auszuprobieren. Ich bin sehr froh und sehr glücklich über meine Entscheidung und mit mir absolut im Reinen. Aber es war ein langer Prozess und keine Entscheidung, die von heute auf morgen getroffen wurde, sondern die sich über einen längeren Zeitraum entwickelt hat.

Zu meiner beruflichen Zukunft: Ich habe meine eigene Sport-Management-Firma gegründet und studiere derzeit auch noch Sportmanagement, so dass ich mich langfristig in diesem Bereich sehe und dort Projekte verwirklichen möchte. Ich denke, das ist auch eher meine Stärke als beispielsweise ein Trainer-Job oder Ähnliches.  

„Traumhaft, abwechslungsreich und herausfordernd“

flw24: Und zum Schluss – wie würdest Du denn Deine Karriere in drei Schlagworten beschreiben?

Simon Rolfes: Sie war traumhaft, weil ich mir einen Traum erfüllt habe. Meine Karriere war darüber hinaus zugleich abwechslungsreich und herausfordernd, weil ich viele unterschiedliche Phasen durchlebt habe – vom großen Talent in der Bremer Jugend hin zu einem Spieler, der zwei Jahre gar nicht gespielt hat und fast wieder bei den Amateuren gelandet ist, dann aber in Aachen wieder große Erfolge gefeiert hat und in Leverkusen zum Nationalspieler gereift ist. Dann kam die einjährige Verletzung, die die weitere Karriere in Frage gestellt hat und von der ich es schließlich doch nochmal auf die große Bundesliga-Bühne zurückgeschafft habe. Deswegen war es unglaublich abwechslungsreich, herausfordernd, aber auch wunderbar.

flw24: Simon, besten Dank für das Interview und viel Erfolg für Deine weitere Zukunft.