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„Opa, gib mal den Ball ab“

Interview mit Werner Entenmann, langjähriger Trainer im Kreis Limburg-Weilburg

Immer gut gelaunt Werner Entenmann

Werner Entenmann zeigt der Redaktion sein Fußball Album

Werner mit seinen Brüdern Willi und Rudi

Werner zeigt uns sein Fußball-Archiv

Auch einen gebrochenen Fuß hält Werner nicht vom coachen ab (Fotos: flw24)

12 Stationen in 42 Jahren: Eine bewegte Trainerkarriere ging mit dem Ende der abgelaufenen Saison zu Ende. Kurz vor seinem 70. Geburtstag am kommenden Sonntag hat Werner Entenmann das große Kapitel Fußball beendet. Zuletzt trainierte er die TuS aus Lindenholzhausen, in unseren Gefilden ist er aber auch durch sein langjähriges Engagement beim VfR Limburg 07 (hier trainierte er erst die Männer, später die Frauen) sowie Stationen in Elz, Eisbachtal und bei Glas Chemie Wirges bekannt. Werner Entenmann erzählt im Gespräch mit flw24 von vielen erfolgreichen Zeiten und einem Abstieg, von Spielen vor 6.000 Zuschauern und darüber, wie er Alex Ferguson mal aus der Patsche half.

flw24-Redaktion: Werner, kennst du WhatsApp?

Werner Entenmann: Nein, was ist das denn?

flw24-Redaktion: Das ist so ein Chatprogramm fürs Handy, mit dem man sich kostenlos Nachrichten hin- und herschicken kann. Wie hast du denn in Lindenholzhausen mit deinen Spielern kommuniziert?

Werner Entenmann: Am liebsten persönlich bzw. sollten sich die Spieler immer telefonisch bei mir abmelden. Dann habe ich schon gehört, wenn mir jemand eine Ausrede aufgetischt hat. (lacht) Dieses Geschreibe ist mir zu unpersönlich.

flw24-Redaktion: Wie war deine letzte Trainerstation in Lindenholzhausen und woran hast du gemerkt, dass es Zeit zum Aufhören ist?

Werner Entenmann: In Lindenholzhausen hatte ich nochmal drei richtig schöne Jahre, das war ein richtig schöner Ausklang, das habe ich mir genau so vorgestellt. Viele Leute aus dem Ort, super Trainingsbeteiligung und richtiger Zusammenhalt. Aber trotzdem wurde es jetzt einfach Zeit. Neulich habe ich beim Abschlussspiel mitgemacht, auf einmal ruft einer: „Opa, gib mal den Ball ab.“ Alle  waren zu Salzsäulen erstarrt, bis sie gemerkt haben, dass es mein Enkel Marvin war, der an dem Tag mittrainiert hat. (lacht)

„Meine Frau hat die ganzen Jahre so viel auf mich verzichtet, da habe ich noch ein bisschen was gutzumachen.“

flw24-Redaktion: Du warst 42 Jahre Trainer, vorher warst du auch schon als Spieler aktiv. Was macht ein  Werner Entenmann jetzt sonntagnachmittags?

Werner Entenmann (lacht): Ach, ich schaue bestimmt auch weiterhin auf dem einen oder anderen Fußballplatz vorbei. Aber ich will auch einfach mal mit meiner Frau an die Mosel fahren und einen Kaffee trinken. Sie hat die ganzen Jahre so viel auf mich verzichtet, da habe ich noch ein bisschen was gutzumachen. (lacht) Nein, im Ernst, ohne die Unterstützung deiner Frau kannst du ja gar nicht so viele Jahre Trainer sein. In Ludwigsburg haben sie schon immer gesagt: „Den Entenmann ohne Frau,  das gibt’s nicht.“

flw24-Redaktion: Wo du gerade Ludwigsburg erwähnst, eine deiner ersten Stationen als Spieler: Wie hat es euch denn eigentlich in die Limburger Ecke verschlagen?

Werner Entenmann: Wir sind über die Jahre durch meine Trainertätigkeit sechs oder sieben Mal umgezogen. Hier in Dreikirchen (bei Hundsangen; Anm. der Redaktion) sind wir dann schließlich sesshaft geworden und haben vor zwanzig Jahren ein Haus gebaut. Mittlerweile haben wir hier unsere zweite Heimat.

flw24-Redaktion: Gebürtig kommst du ja aus der Stuttgarter Ecke…

Werner Entenmann: Ja, ich komme aus Benningen/Neckar bei Stuttgart, einem kleinen Ort mit damals nur ca. 2.000 Einwohnern -  trotzdem haben wir mit der A-Jugend in der höchsten Klasse gespielt. Sonntags war die Kirche leer, weil 1.000 Leute A-Jugend geschaut haben. (lacht) Wir sind bis ins Finale von Baden-Württemberg gekommen, haben dort aber 7:0 gegen den VfB Stuttgart verloren. Meine Brüder Rudi, Willi und ich wechselten dann zu den VfB Amateuren, mit denen wir zwei Mal baden-württembergischer Meister wurden. Meine beiden Brüder haben den Sprung zu den Profis des VfB direkt geschafft, ich sollte noch warten. Dafür war ich in meinen jungen Jahren aber zu ungeduldig und habe dann den VfB verlassen. Dadurch kam es leider nie dazu, dass drei Brüder gleichzeitig in einer Fussball-Bundesligamannschaft gespielt haben.

flw24-Redaktion: Dein Bruder Willi hat dann beim VfB gespielt und wurde später auch Trainer in der Bundesliga, unter anderem in Stuttgart und Nürnberg. Wie ging es mit dir weiter nach deinem Abschied vom VfB?

Werner Entenmann: Ich habe zwei Jahre in Heilbronn gespielt und wechselte anschließend nach Ludwigsburg. Mit Ludwigsburg sind wir, mit mir als Kapitän, zweimal hintereinander von der 2. Amateurklasse bis in die 2.Bundesliga aufgestiegen. Das war der Wahnsinn, ein bisschen so wie Darmstadt jetzt. Erst vor kurzem haben wir uns mit der Mannschaft von damals wieder getroffen, da kamen 15 ehemalige Mitspieler zusammen. Und das nach mehr als 40 Jahren, wirklich toll! Mit 28 Jahren ging ich als Spielertrainer nach Kirn an die Nahe, das war also mein Einstieg ins Trainergeschäft.

flw24-Redaktion: In welcher Liga war das?

Werner Entenmann: In der Amateuroberliga, der höchsten Amateurliga damals, direkt unter der Zweiten Bundesliga. Da haben wir teilweise vor 5.000 bis 6.000 Zuschauern gespielt. Das war eine tolle und erfolgreiche Zeit. Nur wollte der Verein wegen den Auflagen für die zweite Bundesliga leider nicht aufsteigen. Deshalb habe ich nach fünf Jahren bei der Hassia in Bingen eine neue Herausforderung gesucht.

„Da bekam ich auf einmal einen Anruf, ob wir nicht gegen den FC Aberdeen mit ihrem Trainer Alex Ferguson spielen wollen“

flw24-Redaktion: Welche war dann deine erste Station in unserer Gegend? 

Werner Entenmann: Das waren die Sportfreunde Eisbachtal, die ich von 1980 bis 1984 trainiert habe, unter anderem mit dem heutigen Trainer der Eisbachtaler, Norbert Reitz. Das absolute Highlight neben der damaligen Vize-Meisterschaft 80/81 in der Oberliga Südwest war in der Vorbereitung 1983: Da bekam ich auf einmal einen Anruf, ob wir nicht gegen den FC Aberdeen spielen wollen, die haben einfach keinen Gegner gefunden. (lacht) Aberdeen hatte damals gerade unter dem Trainer Sir Alex Ferguson den Europapokal der Pokalsieger gewonnen. Antrittsprämie waren  1.000 Mark, die haben wir durch die Zuschauer locker wieder reinbekommen.

flw24-Redaktion: Gleich um die Ecke musstest du einige Jahre später die einzigen Abstiege deiner Trainerkarriere hinnehmen.

Werner Entenmann (kopfschüttelnd): Ja, mit der Eintracht Glas Chemie Wirges, das waren zwei bittere Jahre. Bei meinem ersten Abstieg sind wir 1989 wegen eines zu wenig geschossenen Tores in die Verbandsliga abgestiegen. Und im Jahr drauf haben wir wegen Nichterfüllung des Schiedsrichter-Solls als Tabellenführer die Lizenz entzogen bekommen und mussten „am grünen Tisch“ in die Bezirksliga absteigen. Selbst unser Anwalt Dr. Reinhard Rauball (bekannt als BVB –Präsident und Präsident des Ligaverbandes; Anm. der Redaktion) konnte diesen Abstieg nicht verhindern.

flw24-Redaktion: Warst du damals selbst noch aktiv?

Werner Entenmann: In der Oberliga bei Glas Chemie Wirges habe ich mit 40 Jahren noch Libero gespielt, weil der etatmäßige Libero ausgefallen ist. Das funktioniert, wenn man aufeinander hört und jeder seine Stärken einbringt. Wir Älteren reden halt mehr und laufen weniger. Mein endgültig letztes Spiel habe ich dann 1997 in Elz mit 52 Jahren gemacht, als wir in der Relegation den Abstieg aus der Bezirksoberliga vermeiden konnten. Nach dem Spiel kam mein Enkel auf den Platz gelaufen und hat „Opa, Opa“ gerufen – da wusste ich, dass es Zeit ist aufzuhören. (lacht)

„Zwischenmenschlich sind die Frauen sicher etwas komplizierter als die Männer.“

flw24-Redaktion: In Limburg hast du erst die Männer trainiert, später die Frauen. Welche Erfahrungen hast du mit den Frauen gemacht?

Werner Entenmann: Sportlich war es ein tolles Jahr: wir sind punktgleich mit Wetzlar Vizemeister geworden und erst im Finale des Hessenpokals an TuS Jahn Calden  gescheitert. Die haben aber auch eine Klasse höher gespielt. Zwischenmenschlich sind die Frauen sicher etwas komplizierter als die Männer(lacht), aber nach diesem Jahr hat der Frauenfussball einen besonderen Platz in meinem Fussballherzen. Aktuell hat übrigens mein guter Freund und langjähriger Wegbegleiter Colin Bell mit dem 1.FFC Frankfurt die Champions League der Frauen gewonnen.

flw24-Redaktion: Hast du abschließend einige Tipps für die Trainer/innen unter den flw-Lesern und diejenigen, die es noch werden wollen?

Werner Entenmann: Man muss den Fussball und einen respektvollen Umgang mit Menschen lieben. Darüberhinaus persönliche Werte vermitteln, die Disziplin, Toleranz und den Teamgeist fördern. Natürlich muss man auch flexibel und ein „Taktik-Fuchs“ sein - egal ob Du zum 1.FC Saarbrücken, zum FSV Mainz 05 oder zum FCA Niederbrechen fährst. Wenn du auf die Dörfer fährst und selbst total aggressiv spielst, dann kriegst du das manchmal fünffach zurück. Deshalb war ich immer ein Freund des schönen Spiels. Außerdem habe ich immer mein Training und die Taktik der Mannschaft angepasst, nicht umgekehrt. Genauso wichtig war mir aber, dass man sich überall noch sehen lassen kann, auch wenn es irgendwann auseinander geht. Ein Grundprinzip war für mich immer, dass ich „nur“ Gast in einem Verein war und versucht habe, Spielern aus der Region neue Perspektiven für ihr weiteres Fussballerleben aufzuzeigen.  Es macht mich auch stolz, insgesamt 9 Spielern direkt zum Profivertrag für die 1. und 2. Bundesliga verholfen zu haben.

In all den Jahren haben meine Frau und ich so viele tolle Leute kennengelernt, dafür bin ich wirklich dankbar. Zu den flw-Lesern gehören wir übrigens auch – meine Frau schaut jeden Tag, was es Neues gibt. Sie ist sowieso die Zentrale für alle Fußballinformationen in der Familie und hat sonntags immer gleich nach dem Spiel unser Ergebnis an unsere Tochter, unseren in Thailand arbeitenden Sohn und unsere Enkel geschickt. (lacht)

 

flw24-Redaktion: Werner, vielen Dank für das Interview und dir und deiner Frau viel Spaß im „sportlichen Ruhestand“ sowie alles Gute für deinen Ehrentag am 26. Juli.

Werner Entenmann: Vielen Dank und gern geschehen.

Stationen von Werner Entenmann:

1952 -  1964  TSV 1899 Benningen

1964 – 1967: VfB Stuttgart Amateure

1967 – 1969: Heilbronn

1969 – 1973: Spvgg 07 Ludwigsburg

1973 – 1978: VfR 07 Kirn (erste Station als Spielertrainer)

1978 – 1980: Hassia Bingen

1980 – 1984: Sportfreunde Eisbachtal

1984 – 1985: TuS Koblenz

1985 – 1990: Eintracht Glas Chemie Wirges

1990 – 1994: Bad Ems

1994 – 1995: Freiendiez

1995 – 1999: SV Elz

2000 – 2008: VfR Limburg 07

2008 – 2010: TuS Gückingen

2010 – 2011: VfR Limburg 07 (Damen)

2012 – 2015: Tus Lindenholzhausen


Das Interview wurde von Tobias Schneider geführt.