Unser heutiger Experten-Tipper ist ein richtiges „Urgestein“ der SG Selters – Patrick Jahn. Der 37-jährige ist vielen nicht nur als langjähriger (Co-)Trainer an der Seitenlinie der SGS bekannt, sondern auch als Pressewart der SG und freier Mitarbeiter bei der NNP, wo sich die Leser des Sportteils regelmäßig auf tolle (Spiel-)Berichte von ihm freuen können. Im folgenden Text erzählt Patrick von den vielen Highlights seiner Laufbahn und teilt seine Einschätzung zur aktuellen Lage des Amateurfußballs im Kreis.

Wir wünschen Euch viel Spaß beim Lesen!

Die Anfangsjahre bei der SG Selters – vom Torwart zum Stürmer

Bei Patrick begann die Liebe zum Fußball wie damals bei vielen Jungs in seinem Alter – auf dem Bolzplatz. Nach der Schule ging es jeden Mittag auf den Niederselterser Bolzplatz, bevor 1992 als 8-jähriger der Eintritt in einen Verein folgte. Dieser Verein war damals die SG Selters, der Patrick bis heute treu geblieben ist. Zwar gab es in der B-Jugend mal ein loses Gespräch mit dem RSV Würges, „doch ich konnte und wollte nicht von der SGS weg“, sagt er. Dafür erlebte er in seinen Jugendjahren bei der SGS einige Highlights: „Wir sind der in E-Jugend Kreispokalsieger geworden. Damals war ich noch Torwart und ich habe im Elfmeterschießen zwei Elfmeter gehalten, einen an den Pfosten geschaut und den entscheidenden Elfmeter verwandelt.“ Dass Patrick aber nicht nur zwischen den Pfosten, sondern auch auf dem Feld zu überzeugen wusste, stellte er dann ab der D-Jugend unter Beweis, wo er fortan als Stürmer eingesetzt wurde. Die Torhüter- und Stürmerposition fand Patrick immer am interessantesten, weswegen er froh ist, auf beiden Positionen Erfahrungen gesammelt zu haben. Zu seinen beiden Lieblingspositionen passen auch seine früheren Idole: „Ich war immer Fan von Hans van Breukelen (Torwart der Niederlande u.a. 1992, wo die EM mein erstes Turnier war, was ich bei vollem Bewusstsein verfolgt habe). Ich hielt ihn für einen sehr guten Keeper und zudem hatte er etwas „Böses“. Da ich aber schon von Kindesbeinen an ein großer Holland-Fanatiker war, fand ich auch Dennis Bergkamp und Ruud van Nistelrooy überragend. Und als HSV-Fan war ich begeistert von Rafael van der Vaart oder Bernardo Romeo, der zwar kein Fußballspielen konnte, aber jedes Jahr reichlich Tore gemacht hat“, erzählt Patrick. Auch er selbst hat in seiner Jugendzeit einige Tore gemacht und trug als Stürmer seinen Teil dazu bei, dass seine Mannschaft in der B-Jugend Kreismeister wurde. In einem engen Finish siegte die SGS im Entscheidungsspiel auf dem alten Oberselterser Hartplatz gegen die JSG Hünfelden mit 2:0 dank zweier Treffer von Patrick. Einziger Wermutstropfen: „Beim Jubeln hat mir unser Kapitän, Markus Penner, aus Versehen die Lippe blutig geschlagen“, erinnert sich der 37-jährige zurück. Neben dem engen Duell mit der JSG Hünfelden hat Patrick vor allem die Spiele gegen den SC Niederhadamar (damals u.a. mit Martin Schlimm) und gegen die TuS Lindenholzhausen im Gedächtnis, die es immer in sich hatten. Bei der TuS war damals Dominic Voss, mit dem sich die Wege später wieder kreuzen sollten, einer seiner Gegenspieler.

Aber Fußball war damals nicht das einzige Hobby von Patrick. Der sportbegeisterte Niederselterser übte als Teenager sogar zwischenzeitlich fünf Sportarten gleichzeitig aus: neben Fußball waren das noch Leichtathletik, Tischtennis, Basketball und Volleyball. Dies habe natürlich des Öfteren zu Terminschwierigkeiten geführt, doch der Unterstützung und Rückendeckung seiner Eltern konnte sich Patrick immer sicher sein. Sein Vater fungierte sogar einige Jahre als sein Trainer, „was natürlich nicht immer einfach war“, so Patrick.

Übergang in den Seniorenbereich und Pendeln zwischen 1. und 2. Mannschaft

Während seiner Zeit als A-Jugendlicher durfte Patrick schon bei den Senioren mitspielen, was ihm beim Übergang in den „Erwachsenenfußball“ sehr geholfen habe. So verlief auch gleich das erste Jahr bei den Senioren überaus erfolgreich: „An meinem 18. Geburtstag durfte ich im Pokalspiel gegen den SV Villmar in der 2. Mannschaft auflaufen. Beim Stand von 1:3 wurde ich eingewechselt, habe zwei Tore geschossen und wir haben 4:3 gewonnen. Zwei Tage später saß ich bei der 1. Mannschaft auf der Ersatzbank – es war der 1. Spieltag gegen den VfR Niedertiefenbach. Ich wurde in der 74. Minute eingewechselt und in der 75. Minute habe ich das 1:1 gemacht. Das ging dann noch ein paar Wochen ähnlich erfolgreich weiter, aber bald danach hatte ich meine Prioritäten anders gesetzt und kam nicht mehr oft in der 1. Mannschaft zum Einsatz“, schildert Patrick seine Anfangszeit. Zwischendurch habe es dann immer mal wieder Phasen gegeben, wo ihn die Motivation gepackt habe und er sich in den Kader der Ersten gespielt habe, „im Endeffekt hatte sich mein Lebenswandel aber mit dem eines vernünftigen Kreisliga-Kickers nicht in Einklang befunden, was dazu geführt hat, dass ich mir immer mal „Pausen“ als Spieler gegönnt habe. Insgesamt muss ich aber sagen, dass ich sicherlich mehr aus mir hätte machen können, weil die Basics da waren, die Einstellung aber schlichtweg gefehlt hat“, zieht Patrick eine ehrliche Bilanz dieser Zeit. Und hätte er mit der richtigen Einstellung auch von einer Profi-Karriere träumen können? „Nein, weil ich dafür nicht das Talent hatte bzw. spätestens ab dem B-Jugend-Alter nicht mehr so dafür gelebt habe, wie man dafür hätte leben müssen. Im Endeffekt war ich nie mehr als ein A-Liga- oder maximal Kreisoberliga-Ergänzungsspieler, auch wenn ich vor dem Tor sicherlich Qualitäten hatte“, meint Patrick. Nichtsdestotrotz gelang auch im Seniorenbereich der ein oder andere Erfolg, wie zum Beispiel der Aufstieg unter Trainer Jan Kieserg in die Kreisoberliga 2006/2007. Kieserg sei auch der beste und erfolgsorientierteste Trainer gewesen, den Patrick hatte, „aber auch Frank Sprenger, der mein erster Seniorentrainer war, war ein feiner Kerl.“

Trainer der 2. Mannschaft – der Beginn einer Erfolgsstory

Eher zufällig kam es in der Saison 2009/2010 dazu, dass Patrick mit nur 25 Jahren selbst zum Trainer wurde. Jürgen Walli übernahm zu Saisonbeginn das Traineramt bei der 1. Mannschaft und bat darum, dass jemand – vor allem bei den Spielen – die Betreuung der Zweiten übernimmt. „Jürgen hatte mich damals gefragt, ob ich mir das vorstellen könne. Und demnach bin ich etwas überraschend in diese Rolle hineingewachsen“, erzählt Patrick. Von da an nahm die Erfolgsstory für Patrick und seine Mannschaften ihren Lauf. Bei der zweiten Mannschaft stand Patrick bis zur Saison 2015/16 insgesamt 7 Jahre lang an der Seitenlinie und konnte einige denkwürdige Siege und Aufstiege feiern. Nach den Tabellenplätzen 6 und 7 in den ersten beiden Saisons wurde Patricks Truppe 2011/2012 Meister in der Kreisliga A der Reserven. Im folgenden Jahr gelang – ohne eine einzige Niederlage! – die Meisterschaft in der Kreisliga C2. Das größte Highlight sollte allerdings erst noch folgen: In der Saison 2013/2014 wurde die SGS II in der Kreisliga B Tabellendritter und qualifizierte sich somit für die Relegation. Das Hinspiel beim SV Wolfenhausen ging klar mit 3:0 verloren, sodass vor dem Rückspiel niemand mehr einen Pfifferling auf die SGS setzte. Doch bei tropischen 42°C gewann Selters das Rückspiel auf dem Oberselterser Kunstrasen sensationell mit 5:1 und machte damit den Aufstieg in die Kreisliga A perfekt. Zwar stieg die Mannschaft in der folgenden Saison direkt wieder ab, schaffte aber 2015/16 zum Abschluss von Patricks Trainerzeit bei der Zweiten den Einzug ins Kreispokalfinale, was mit 1:3 gegen den Favoriten SV RW Hadamar II verloren ging.

Aufstieg in die Gruppenliga mit der 1. Mannschaft der SGS

Ab Sommer 2016 war Patrick dann an der Seite von A-Lizenzinhaber Uli Deisel Co-Trainer der 1. Mannschaft, ab 2017 dann gemeinsam mit Deisel gleichgestellter Trainer, bis dieser zum Ende der Saison 2017/18 sein Traineramt niederlegte. Mit den Tabellenplätzen 7 und 5 pirschte sich die Mannschaft in dieser Phase langsam aber sicher an die vorderen Plätze heran. Ab 2018 bildete Patrick dann mit Moritz Steul das neue Trainerduo und gemeinsam führten die beiden den eingeschlagenen Weg mit der Mannschaft erfolgreich fort. Platz 2 in der Kreisoberliga dank eines 2:0-Sieges am letzten Spieltag gegen die SG Winkels/Probbach/Dillhausen bedeutete die Teilnahme an der Aufstiegsrunde zur Gruppenliga, wo der SV Hallgarten noch eine Nummer zu groß war, aber in der Saison 2019/20 gelang der große Wurf: die SGS wurde „Corona-Meister“ und stieg in die Gruppenliga Wiesbaden auf. Aufgrund der Umstände konnte die Meisterschaft damals nicht gebührend gefeiert werden, dennoch ordnet Patrick den Aufstieg bis heute als den größten Erfolg ein. Als Aufsteiger machte die SG, weiterhin unter dem Trainerduo Steul/Jahn, eine gute Figur und belegte in der abgebrochenen Runde den 9. Platz. Momentan sieht es aber leider nicht ganz so rosig aus: In der aktuellen Spielzeit liegt die SGS abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz und wird zur neuen Saison wohl wieder in der Kreisoberliga an den Start gehen, doch trotz des bevorstehenden Abstiegs zeigt die Mannschaft, vor allem in der Rückrunde, Woche für Woche großen Einsatz und den Willen, sich anständig aus der Gruppenliga zu verabschieden. Verabschieden wird sich dann auch Patrick: „Ich bin noch bis 12. Juni zusammen mit Dominic Voss Trainer der SG Selters. Wie es weitergeht, weiß ich noch nicht. Ich habe aber keinen Druck. Es kommt das, was kommen soll. Zwei lose Anfragen anderer Vereine habe ich erst einmal abgelehnt.“ Egal, wie und ob es für Patrick im Fußball weitergeht, die Erfolgsstory mit der SGS über all die Jahre kann ihm keiner nehmen.

Einschätzung zur aktuellen Lage im Fußball

Doch natürlich bleiben Patrick als Kenner der regionalen Fußballlandschaft auch die aktuellen Entwicklungen im Amateurfußball nicht verborgen. Die momentane Lage betrachtet er sehr skeptisch und meint, dass die nächsten Jahre wegweisend sein werden: „Der Fußball hat enorm an Stellenwert verloren, es wird immer schwieriger, zwei Mannschaften zu stellen. Das kann man auch an vielen Rückzügen von Mannschaften sowie der Bildung von teils großen Spielgemeinschaften sehen. Wir stehen ein bisschen am Scheideweg. Und mir fehlt aktuell der „Masterplan“, um dagegen einzuwirken. Die Jugendarbeit wird ebenfalls immer weniger, es gibt weniger Mannschaften. Die Großen fressen die Kleinen auf“, teilt Patrick seine Einschätzung der Lage. Ein Grund dafür sei vor allem, dass sich die Einstellung der Spieler geändert habe. „Zu meiner aktiven Zeit wurde dem Fußball vieles untergeordnet. Gefühlt ist es heute so, dass viele nur noch Fußball spielen, wenn alles andere erledigt ist.“ Einen Anteil daran hat sicherlich auch die Corona-Pandemie, die nach Patricks Meinung dem Fußball extrem geschadet hat. „Viele haben gemerkt, dass es auch ohne Fußball geht. Und auch nicht jede Spielerfrau oder -freundin geht unbedingt diesen Weg mit. Aber das muss man verstehen (können).“ Auch zur spielerischen und taktischen Entwicklung teilt Patrick seine Ansichten mit: „Beim Fußballsport im Allgemeinen wird heutzutage viel mehr Wert auf Taktik, Dynamik und Athletik gelegt. Die fußballerische Komponente spielt nicht mehr die erste Geige, was bereits im Profifußball zu sehen ist. Ich würde sogar so weit gehen, zu behaupten, dass das Niveau nicht mehr so hoch ist wie beispielsweise noch vor 15 oder 20 Jahren. Aber vielleicht ist es auch einfach nur anders, und nicht unbedingt schlechter.“

Patricks Ansichten zur Corona-Pandemie

Auch nach 2 Jahren ist Corona immer noch ein großes Thema und hat nicht nur Spuren im Fußball, sondern in der Gesellschaft allgemein hinterlassen. Für Patrick „war und ist es eine schwierige Zeit. Aber das Leben muss weitergehen, auch mit Corona. Ich weiß nicht, ob der wirtschaftliche Schaden im Nachhinein zu beheben ist. Man hätte vieles sicherlich anders lösen können, aber da die Erfahrungswerte gefehlt haben, kann man niemandem einen großen Vorwurf machen. Was mich aber stört, ist die deutsche Grundkrankheit der Naivität“, sagt er zu diesem Thema.

Hobbies und Privates

Zum Schluss verrät Patrick noch, was er außerhalb seiner Trainertätigkeit im normalen Leben noch so macht. „Beruflich bin ich als Kreditsachbearbeiter in der Darlehensbuchhaltung der ING-DiBa tätig, zudem im Nebenjob als Freier Mitarbeiter im Regionalsport der Nassauischen Neuen Presse“, berichtet Patrick von seinem Alltag. Zudem ist er Vater einer 5-jährigen Tochter namens Maya und widmet sich in seiner Freizeit auch gerne seinen weiteren Hobbies Schwimmen und Lesen.

Wir bedanken uns bei Patrick für das Interview, die tollen Einblicke in seine lange Laufbahn bei der SG Selters und wünschen ihm alles Gute für die sportliche und private Zukunft!

Wenn Du 3 Wünsche hättest, welche wären das?
 

1. Weltfrieden.
    
2. Ein schönes Leben für meine Tochter.
    
3. Bessere Zeiten für den HSV.

Nachfolgende Begegnungen wurden von Patrick Jahn und FLW24 getippt: