Olympiasieger bereitete sich mit Paul Lissek in Limburg auf Gold vor
Hockey. In der Dehrner Von Kunhardt Akademie von Michael von Kunhardt war als Referent der angehenden Business-Coaches einer der größten Stars der deutschen Hockey-Geschichte zu Gast: „Calle“ Fischer, der heute als Dr. Carsten Fischer Oberarzt für Orthopädie und Unfallchrurgie am Elisabeth-Krankenhaus in Dorsten ist. Der mittlerweile 63-jährige Familienvater mit zwei erwachsenen Töchtern lebt immer noch in seiner Heimatstadt Mülheim an der Ruhr.
Limburg kennt Carsten Fischer aber gut. Unter den Bundestrainern Klaus Kleiter und Paul Lissek hat er viele Lehrgänge mit der deutschen Nationalmannschaft auf der Anlage des Limburger Hockey-Clubs (LHC) im Eduard-Horn-Park bestritten und über Wochen spartanisch in der Limburger Jugendherberge gelebt. Beim LHC bereitete sich der Junge des Kohlenpotts unter anderem mit den damaligen Limburgern Michael Knauth und Stefan Saliger auf die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona vor. Hier sollte der auf dem Platz als eisenharter Libero gefürchtete, privat aber sehr bodenständige Fischer mit Olympia-Gold nach zwei Mal Silber 1984 und 1988 seinen größten Erfolg erringen. Am Ende seiner aktiven Zeit mit 37 Jahren war „Calle“ mit 259 Länderspielen deutscher Rekordnationalspieler sowie als Strafeckenspezialist mit 154 Toren auch deutscher Rekordtorschütze. Mitte der 1980- er bis der 1990-er Jahre beherrschte Fischer mit seinen Jungs von Uhlenhorst Mülheim das europäische Vereinshockey. Auf dem Feld waren die „Uhlen“ über diese Dekade fast unschlagbar und wurden acht Mal in Folge Europapokalsieger der Landesmeister. Das hat Fischer mit seinen Clubkameraden neben seinem Talent vor allem durch Disziplin und das Selbstvertrauen erreicht, das er durch stets vorbildliche Vorbereitung auf wichtige Spiele hatte. Michael von Kunhardt, der als LHC-Stürmer noch gegen Carsten Fischer spielte, sagte bewundernd: „Du hast für uns auf einem Sockel gestanden. Du warst der herausragende Spieler“. Das hat sicher damit zu tun, dass der Mülheimer bereits mit sechs Jahren mit Feldhockey startete. Der Zufall wollte es so, dass seine Eltern eifrige Tennisspieler beim HTC Uhlenhorst Mülheim waren und ihren Sohn immer mit auf die Anlage nahmen. Da vertrieb „Calle“ sich die Zeit damit, mit anderen Kindern mit Krummstab und Kugel Hockey zu spielen. „Da war ich glücklich. Das war mein Spiel“, berichtete Fischer. Doch sich einfach nur mit ein bisschen Sport die Zeit zu vertreiben war dem ehemaligen Europameister zu wenig. „Ich hatte auch immer Spaß am Training, große Lust, immer besser zu werden. Ich wollte weiter schlenzen als andere, schneller laufen und härter schlagen“, gab er Einblick in seine Gedankenwelt. Während viele Spieler der heutigen Generation nicht mehr in jedes Training kommen, weil ihnen Leistungssport neben der Ausbildung oder dem Beruf zu viel ist, zeigte Fischer, dass es mit „der Lust sich zu quälen“ auch anders geht und dass man nur mit dieser Einstellung in seinem Metier ganz nach vorne kommen kann. In Dehrn sagte Fischer offen, dass die Jugend von heute im Schnitt einfach nicht mehr so leistungsbereit wie seine Generation sei. Es sei aber das falsche Signal, der Jugend zu sagen, Wohlstand funktioniere auch ohne Arbeit und Leistung. „Wenn sich das nicht wieder grundlegend ändert, geht Deutschland den Bach runter. Davor habe ich Angst“, erklärte der Olympiasieger. Fischer dagegen verließ das Haus als Medizinstudent schon morgens um sechs Uhr für die erste 10-Kilometer-Laufeinheit, fuhr dann zur Uni, gegen Abend dann zum Hockeytraining und lernte anschließend noch bis in die Nacht. „Es war auch gut für mich, dass ich neben dem Sport meinen Kopf trainierte. Ich war mental stark, ohne jemals über das Thema Mentales Training nachgedacht zu haben“, erinnerte der Ausnahmespieler sich zurück. Seine jungen Jahre beschrieb er mit: „Ich habe fast nur geackert und gelernt“. Als Heiligen will sich Fischer aber nicht darstellen. Natürlich habe er sich auch nicht immer im Griff gehabt und auch mal über den Durst getrunken und schlechte Sprüche gemacht.
Auch wenn die Dominanz der Mülheimer Mannschaft sie für viele Gegner zur damaligen Zeit als „arrogante Truppe“ wirken ließ, zieht Carsten Fischer sich diesen Schuh allerdings nicht an. „Ich wollte schon so selbstsicher auf dem Platz wie mein Vorbild Franz Beckenbauer wirken“, berichtete Fischer. Aber überheblich sei er im Gegensatz zu manchem jüngeren Mitspieler nie gewesen, habe als Kind von den Älteren noch Respekt gelernt. Als Hockeyspieler schaffte es Carsten Fischer ganz nach vorne, weil er im Training immer am Ball blieb und übte und übte, bis sein Spiel nahe der Perfektion war. Er wurde neben großen sportlichen Erfolgen mit unvergesslichen Erlebnissen belohnt. So schilderte Fischer ein Treffen im Olympischen Dorf mit Carl Lewis, wo der amerikanische Sprintkönig ihn umarmte und als „mein Freund“ bezeichnete. Ein Ereignis jedoch warf Carsten Fischer während seiner Glanzzeitzeit fast aus der Bahn. Mit 29 Jahren fielen ihm plötzlich die Haare aus. Die Diagnose lautete Diabetes. Das war noch lange vor der Zeit, als Männer aus modischen Gründen Glatze trugen. Fischer wurde ohne Grundlage von Medien einfach unterstellt, dass der Haarausfall Folge von Doping sein könne. Die Sache war für Carsten Fischer in der Anfangszeit psychisch ein großes Problem, doch er lernte mit Diabetes zu leben und blieb trotz Krankheit erfolgreicher Spitzensportler. Heute gibt er seine Erfahrungen mit der Krankheit und dem Spitzensport gerne als Redner an andere Betroffene weiter. Der Sport habe ihm auch viele berufliche Kontakte gebracht, sagte Fischer. Als der „Mülheimer Jahrhundertsportler“ Olympiasieger wurde, hat er schon voll als Arzt gearbeitet. Nach seiner Hockeyzeit holte er dann noch seine Promotion nach. Michael von Kunhardt betonte, dass nicht umsonst viele erfolgreiche Sportler später auch im Beruf erfolgreich seien. Disziplin, Fokus auf Ziele und Selbstvertrauen brächten Menschen auch in anderen Lebensbereichen voran. (rk)