Ampelkarte

Die erste Kolumne von Claus Coester

Verschärfung nur ganz oben

Gelb-Rot zieht in der Hessen- und Verbandsliga Spielsperre nach sich

Wer kennt ihn nicht, den uralten Werbeslogan „Hessen vorn“? Der ist gemünzt auf den starken Wirtschaftsraum im Bundesland, der seinen Kern im Rhein-Main-Gebiet hat. Für den Fußball trifft diese Losung nicht immer zu. Mit der neuen Saison 2015/16 zieht der Hessische Fußballverband (HFV) nun mit der Bewertung der sog. Ampelkarte im Amateurbereich nach. Damit wird ein Element „Hessen hinten“ also aus der Welt geräumt. Die zweite gelbe Karte, die bislang im Hessenland lediglich den Ausschluss aus dem aktuellen Spiel bedeutete, wird fortan mit einer Spielsperre geahndet wie im Profibereich das schon seit langer Zeit der Fall ist.

Wie sieht das in der übrigen Republik aus?

Beispielsweise kennen die drei Verbände, die im Westdeutschen Fußball- und Leichtathletikverband (WFLV) organisiert sind (Mittelrhein, Niederrhein, Westfalen) eine solche Regelung für den gesamten Amateurbereich der Senioren bis in die D-Ligen hinunter bereits seit 2013. Die Nordrhein-Westfalen gewähren dabei auch keine Gnade gegenüber dem anderen Geschlecht. Auch die Damen müssen bei „gelb-roter Post“ einmal pausieren.

Unsere Landsleute jenseits des Weißwurst-Äquators gehen nicht ganz so weit wie die Westdeutschen. Die Entscheidungsträger beim bayerischen Fußballverband drohen immerhin bis in die Bezirksliga, die der hessischen Gruppenliga entspricht.

Der HFV verhält sich hier noch etwas reservierter und lässt die neue Regelung zunächst einmal in den beiden höchsten Amateurligen (Hessenliga, Verbandsligen) gelten.

Stellt sich nun grundsätzlich die Frage erstens nach dem Sinn der bei uns neuen und anderswo bereits etablierten Bestrafung im Amateurbereich und zweitens, warum sich die Hessen zunächst einmal langsam vor oder besser gesagt zurück bis in die beiden höchsten Spielklassen des Verbandes tasten.

Was die erste Frage angeht, so muss man dem HFV zu seiner Entscheidung gratulieren. Die Gewichtung der Gelb-Roten könnte die Anzahl der gelben Karten senken, mit Sicherheit die der Ampelkarten. „Wir wollen die Fülle der Gelb-Roten Karten reduzieren und setzen auf mehr Fair-Play“, sagte seinerzeit WFLV-Präsident Hermann Korfmacher. Das ist auch die grundsätzliche Intention der Regelung.

Sowohl Spieler als auch Schiedsrichter werden sich umstellen und müssen etwas mehr Sensibilität für den Augenblick und die Situation auf dem Spielfeld entwickeln. Die Spieler werden sich in der einen oder anderen Aktion etwas mehr Zurückhaltung auferlegen, die Schiedsrichter werden vielleicht nicht mehr so schnell an der Brust- oder Gesäßtasche nesteln. Gelbbelastete Akteure werden sich in der Schlussphase besonders in der Nachspielzeit gut überlegen, ob sie sich wie bislang eine Minute vor Abpfiff den gelb-roten Karton abholen, der sie dann nur für Augenblicke aussperrte. Ab August werden die Ampelsünder dann ihrem Team im nächsten Spiel fehlen.

Die zweite Frage: Warum haben die Hessen nicht schon jetzt Nägel mit Köpfen gemacht und alle Amateurligen einbezogen? Bei den zuständigen Stellen des Verbandes war darüber keine Auskunft zu bekommen. Auch Lutz Wagner, der langjährige Bundesligaschiedsrichter und seit 2013 Lehrwart für das Schiedsrichterwesen beim DFB, wusste keine rechte Antwort für die Beschränkung der neuen Regelung auf die Hessenliga und Verbandsliga. Ansonsten begrüßt er die Einführung der neuen Regelung in unserem Landesverband und erwartet davon eine positive Wirkung in den 90 Minuten auf dem Rasen.

Ob die Beschneidung auf die beiden obersten hessischen Spielklassen nun im Sinne von Erfahrungswerten, die man im Hessenland sammeln möchte, zu sehen ist, mag mal dahingestellt sein. Da hätte man auf Erfahrungen bei den anderen Landesverbänden zurückgreifen können.

So schwebt also das geschärfte gelb-rote Damoklesschwert zunächst einmal im oberen Amateurbereich und ab Gruppenliga abwärts haben die Mannschaften noch Schonzeit. Ganz nachvollziehbar ist das nicht. Aber immerhin ist ein Anfang gemacht und unser Tipp: die Flächendeckung müsste eigentlich in nicht allzu ferner Zukunft folgen.

Foto: Schiedsrichter Mauro Stillger (Claus Coester)