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Wie ein Sechser im Lotto

Philipp Lahm (re.) und Bastian Schweinsteiger beim Traumspiel in Niederselters. Foto: Claus Coester

Wir schreiben das Jahr 2012. Der Begriff „Corona“ war nur etwas für Lateiner und Schüler, die im Lateinunterricht gut aufgepasst hatten. In Niederselters setzte sich der heimische Bayern-Fanklub „Bayernkings“ quasi die Krone auf. Dass das Wort knapp acht Jahre später euphemistisch für ein Virus der Namensgeber werden sollte, das die Welt auf den Kopf stellen würde, hätte damals keiner in den kühnsten Befürchtungen geglaubt. Das beschauliche Niederselters, das mit seinem kostbaren Brunnenwasser den Namen des Taunus-Dorfes seit 150 Jahren oder mehr um die Welt getragen hatte, wurde am 26. August 2012 für einen Tag zum Nabel des deutschen Fußballs. Der emsige Fanclub „Bayern Kings 1987 Selters/Taunus“ – so der offizielle Name, hatte damals den Zuschlag für das sog. „Bayerntraumspiel“ bekommen. Einmal im Jahr vergibt der Nobelklub aus Bavaria einen Auftritt an einen der zahlreichen Fanklubs, die sich entsprechend bewerben müssen und dann einen enormen Aufwand für die Ausrichtung eines solchen Events betreiben müssen.

Nun, in besagtem Jahr  waren die Selterser dran und die rührige Crew um den Vorsitzenden Michael Stefovic hatte mit bemerkenswerter Logistik alle Voraussetzungen erfüllt für einen Fußballfesttag. Noch nie zuvor war das Münchener Starensemble in unserem Kreis angetreten. An diesem Wochenende war die Bundesliga-Saison 2012/13 eröffnet worden. Die Kicker mit der blau-weißen Raute auf der Brust hatten tags zuvor beim Außenseiter SpVgg. Greuther Fürth standesgemäß mit 3:0 gewonnen und mit drei Punkten im Gepäck ihren Wochenendtrip von Mittelfranken ins Nassauer Land fortgesetzt.

Alle Stars waren an Bord, als der Mannschaftsbus von der A3 runter ins Tal fuhr und auf den Niederselterser Sportplatz zusteuerte. In den Wochen zuvor war dort ein Stadion aus Stahlrohrtribünen hingezaubert worden, das rund 15 Tausend Besuchern Platz bot. Die Edelkicker, die die meisten sonst nur aus der Distanz im Stadion oder an der Glotze kannten, waren für die Fans heute zum Anfassen. Bis auf Jerome Boateng, der sich gegen Greuther Fürth eine Blessur geholt hatte, sollte das gesamte Aufgebot vom Bundesligastart auflaufen.

Das Gesicht des FCB hat sich in den knapp acht Jahren gewaltig gewandelt. Mit Manuel Neuer, Thomas Müller und bedingt Jerome Boateng stehen noch drei Säulen von damals im Bayern-Team. Der Rest hat sich in alle Welt verflüchtigt oder die Schuhe an den Nagel gehängt. „Don“ Jupp Heynckes, der Coach mit Mythos, hat sich auf sein Gut am Niederrhein zurückgezogen. Philipp Lahm, ein Bayern-Urgestein, hat inzwischen seine Karriere beendet. Dazu gehört auch sein Weltmeister-Kumpel Bastian Schweinsteiger, der je zwei Jahre noch in den Diensten von Manchester United und Chicago Fire stand. Toni Kroos verließ mit dem Weltmeistertitel im Koffer im Sommer 2014 München Richtung Spanien und wird, wenn er seinen Vertrag bis 2023 erfüllt, neun Jahre der Taktgeber im Mittelfeld des berühmtesten Fußballklubs der Welt gewesen sein. Das muss ihm erst mal einer nachmachen. Nur noch wenige Eckpfeiler bilden in der aktuellen Mannschaft das Korsett. Thomas Müller, ein weiterer Weltmeister von Rio, trägt seit seinem 10. Lebensjahr das Bayern-Trikot. Mehr Bayern-Gen geht nicht. Sein Vertrag läuft bis 2023. Dann wären 23 Jahre an der Säbener Straße voll. Ein Fall für das Guiness-Buch der Rekorde. Die Corona der Übrigen, die sich an jenem 26. August in der Taunusgemeinde ein Stelldichein gaben, sämtlich Namen, die einem auf der Zunge zergehen: Claudio Pizarro jagt mit fast 42 Jahren bei Werder Bremen noch immer dem Bundesliga-Ball nach. Manche ulken, der vielgereiste Peruaner habe sich in seinem Vertrag die Klausel ausbedungen, dass die jüngeren Kollegen ihn mit „Papa“ anreden. Den damals noch blutjungen Xherdan Shaqiri, Schweizer Nationalspieler, hat Jürgen Klopp an die Anfield Road nach Liverpool gelockt, wo er allerdings meist im zweiten Glied steht. Legende Arjen Robben, der die Bayern 2013 in Wembley zum vorerst letzten Champions-League-Titel verhalf, hat seine ruhmreiche Karriere im vergangenen Sommer nach 10 bei den Bayern beendet. Nicht zu vergessen sind Dante (OGC Nice), Luiz Gustavo (Fenerbahce Istanbul), Holger Badstuber (VfB Stuttgart), Mario Mandzukic (Al Duhail SC/Katar), Emre Can (Borussia Dortmund), Anatoli Tymoshchuk (Co-Trainer Zenit St. Petersburg) und Mitchell Weiser (Bayer Leverkusen).

Alle, die an jenem herrlichen Sonntag im August als Zuschauer dabei waren, werden es als eine Besonderheit in ihren Fußballerinnerungen bewahren. Das gilt für alle, die im Team der Bayernkings aufliefen, genauso wie für das Schiedsrichtergespann um Frederik Angermeier und nicht zuletzt für die beiden Stadionsprecher. Dieter Bäbler, der Pressesprecher des RSV Dauborn und der FSG Dauborn/Neesbach, sorgte zusammen mit ZDF-Reporterlegende Rolf „Töppi“ Töpperwien für die nötigen Informationen.

Weitere Fotos von Claus Coester und Frank Naumann in der Galerie.