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Offener Brief an den Deutschen Fußballbund (DFB)

Schorsch Horz aus Eisenbach.

Sehr geehrter Herr DFB-Präsident Keller, sehr geehrter Herr Vizepräsident Dr. Koch, sehr geehrter Herr Vizepräsident der Schiedsrichter, Herr Zimmermann, und sehr geehrter Herr Generalsekretär Curtius,

Ihr Schreiben zu dem Vorfall Körperverletzung zum Nachteil des Hessischen Schiedsrichters Niels Czekala hat mich auf verschiedenen Wegen erreicht, u.a. hat Hessische Fußballverband, Abteilung Schiedsrichter, über die Kreisvereinigungen alle Kollegen informiert. Mich freut (und verwundert), dass dem DFB aufgefallen ist, dass es überhaupt einen Amateurfußball gibt, der Probleme verschiedener Art, unter anderem die verbale und körperliche Gewalt gegen Spielleiter, hat. Wahrscheinlich war es die sehr umfangreiche Medienberichterstattung, die es nicht zuließ, das Thema beim DFB erneut unter den Teppich zu kehren.

Ich habe mich mit Ihrem Schreiben, den salbungsvollen Worten, auseinandergesetzt. Mein Name ist Schorsch Horz, ich bin 63 Jahre alt, bin seit meiner Kindheit dem Fußball als Spieler aller Altersklassen, als Trainer und Betreuer von Kindern, Jugendlichen und Senioren, als Vereinsfunktionär (Jugendleiter) und als Schiedsrichter verbunden. In einer Spielzeit pfeife ich aktuell in einer Saison so etwa 60 Spiele der Jugend und Senioren. Mir hat der Fußball so viel gegeben, ich möchte ihm etwas zurückgeben, weshalb ich Schiedsrichter bin.

Weil es im Laufe meiner Ausführungen noch Relevanz hat, führe ich auf, vor 3 Jahren bei der Frankfurter Polizei in den Ruhestand gegangen zu sein.

Am vergangenen und am kommenden Wochenende habe ich mich wegen der Gewalt gegen Niels Czekala und aus Solidarität mit ihm im DFBnet gesperrt. Irgendwann müssen wir uns ja mal wehren. Leider wird Solidarität unter uns Schiedsrichtern kleingeschrieben. Berlin und das Saarland und auch der Fußballkreis Frankfurt haben gestreikt, es wurde ein Wochenende nicht gekickt und so Öffentlichkeit und Problembewusstsein hergestellt. Ich hätte vom DFB / der DFL erwartet, dass bei den 27 Spielen der 1., 2. und 3. Liga vom vergangenen Wochenende das Problem vor Spielbeginn in einer gesonderten Ansprache wenigstens mal thematisiert worden wäre. In den Stadien hätte man viele hunderttausende und im Fernsehen mehrere millionen Zuschauer erreicht. Auch auf den Amateursportplätzen wurde agiert, als wäre nichts geschehen. Diese zeitnahe Chance wurde verpasst. Ein Wochenende, wo der Fußball bei den Profis und den Amateuren von den Schiedsrichtern bestreikt würde, das wär es in meinen Augen.

Vor der eigenen Haustüre zu kehren, ist Ihnen vom DFB auch fremd. Sie werfen mit Dreck auf Polizei und Justiz, Sie würden sich dort einen "größeren Ermittlungseifer" wünschen, wenn es um Straftaten auf dem Sportplatz geht, dort sein kein rechtsfreier Raum. Sie beleidigen mich. In meiner Dienstzeit habe ich ein Strafverfahren geführt, ein junger Schiedsrichter wurde in Frankfurt bei einem Jugendspiel zusammengeschlagen. Ich habe alle Register gezogen, um den Täter zu ermitteln. Es ist mir gelungen. Was beim Sport- und beim Strafgericht aus dem Verfahren geworden ist, habe ich nie erfahren. Wenn Sie die Polizei (und die Justiz) pauschal schlecht machen, sollten Sie sich mal vor Augen führen, dass der Bezahlfußball jedes Wochenende Tausendschaften von Polizeibeamten beansprucht, die für andere Aufgaben nicht zur Verfügung stehen. Die Menschen, die in einer Notlage Polizei bräuchten, aber es kommt keine, weil die beim Fußball unterwegs sind, haben das Recht der Beschwerde über Polizei, nicht aber der DFB. Ich hatte in der letzten Phase meines Berufslebens ganz einfach nicht die Zeit, die mir anvertrauten Wohnungseinbrüche in der Qualität zu bearbeiten, wie ich es mir gewünscht hätte. Fehlende Qualität lag nicht am Wollen, sondern am Können. 

Ich mache Ihnen einen Vorschlag: der DFB hat ja auch Geld für ein Protzobjekt in bester Frankfurter Lage, ehemalige Rennbahn. Stellen Sie doch jedem Schiedsrichter, der Opfer von Gewalt wurde, auf Kosten des DFB einen Rechtsanwalt zur Verfügung, der den geschädigten Spielleiter bei dem Strafverfahren unterstützt. Mit einem Rechtsanwalt als Nebenkläger werden Verfahren nicht so schnell gegen billige Auflagen eingestellt und Urteile fallen auch bei Weitem nicht so milde aus (so meine jahrelange Erfahrung).   

Selbstverständlich ist Gewalt in unserer Gesellschaft (viel zu) verbreitet. Sich hinter diesem Umstand zu verstecken, wird das Problem nicht lösen. Wir sind Sportler / Fußballer und müssen ohne Wenn und Aber feststellen, dass der Handball, der Basketball, der Volleyball, der Hockeysport, der Prellballsport und selbst das Eishockey, die ja auch Teil unserer Gesellschaft sind, unsere Gewaltprobleme nicht haben. Hinsichtlich der Taten / der Täter gibt Auffälligkeiten, die jedem Fußballplatzbesucher bekannt sind, die aber nicht angesprochen werden dürfen. Wenn wir uns dem Problem nicht voll umfänglich stellen, gibt es auch keine Lösung. 

Wahrscheinlich hätte ein DFB-Präsident aus dem Amateurlager wesentlich mehr Bereitschaft mitgebracht, Probleme an der Basis, also auch der Amateurschiedsrichter, anzupacken.

Ich lasse mich gerne aber eines Besseren belehren und gratuliere Ihnen, Herr Keller, noch nachträglich zu Ihrer Wahl. Sollten Sie an kompetenter Hilfe bei der Lösung des Gewaltproblems gegen Schiedsrichter interessiert sein, lassen Sie es mich wissen. Momentan ordne ich das DFB-Schreiben unter Lippenbekenntnisse, dem keine Taten folgen, ab.

mit sportlichen Grüßen / Schorsch Hoirz, Schiedsrichter aus der Vereinigung Limburg-Weilburg