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Ein Fußballer geht fremd!

Und kehrt in den Kreis seiner Familie zurück!

Daniel Schnabel bei der dritten und letzten Disziplin eines Triathlons dem Marathon.

Eigentlich kannte man Daniel Schnabel als zweikampf-, konditions- und charakterstarken Abwehrspieler der 1. Mannschaft des TUS Eisenbach. Die Teilnahme an 4 Marathons und 2013 an einem Triathlon über die Mitteldistanz waren nur Nebenkriegsschauplätze. Dies änderte sich im Herbst 2017, über die Gründe seiner Demission vom Fußball schweigt er sich aus, Charakter und Persönlichkeit eben. In ihm reifte der Gedanke, im Jahre 2019 heimatnah bei dem Triathlon in Frankfurt am Main teilzunehmen.

Die einen haben einen Trainerstab, ein anderer hat eine Verlobte Helen Schütz, die den Traum ihres Partners mitlebte und ihm ein Buch schenkte. "Die Trainingsbibel für Triathleten" war Daniels Helfer in der 13-monatigen Vorbereitungszeit, er erarbeitete sich alle Inhalte selbst und setzte sie um. Die Mitträumerin und andere Gutgesinnte spendierten ein Trainingslager auf Malle. Dem Athlet kam der Schichtdienst (Tages- und Nachtdienst) im Industriepark Hoechst zu Gute, konnte er doch tagsüber sehr oft trainieren. Nach einer 12 Stunden Tagesschicht im Herbst oder Winter bei widrigen Bedingungen noch einmal aufs Rad steigen, erforderte eine Menge Härte gegen sich selbst.

Natürlich ist es auch ein Wortspiel. Es liegt aber nahe, dass im Landkreis Limburg-Weilburg ein Eisenmann oder eine Eisenfrau aus dem schönen Taunusörtchen Eisenbach kommen muss. Es gibt dafür auch Belege, ich komme am Ende noch einmal darauf zurück.

Der Wettkampf begann eigentlich schon am Abend des 29.06.2019, das Rennrad und andere Utensilien mussten am Langener Waldsee in Position gebracht.

Am Veranstaltungstag Sonntag, den 30.06.2019, stand frühes Aufstehen an. Mutter Mechthild startete mit Daniel um 04.30 Uhr an den Langener Waldsee. Der Nervösität war es geschuldet, die Autobahnabfahrt am Flughafen zu verpassen. Dann war die Fahrtstrecke zum Langener Waldsee, die bei Trainingseinheiten immer benutzt worden war, vollgesperrt.

Die Zufahrt lag auf der gegenüberliegenden Seite des Gewässers. Das Navy zeigte, der Verkehr staute sich weit zurück und es ging nur ganz langsam voran.

Kumpel James Johnson fragte schon telefonisch an, wo Daniel bleibe, die Wechselzone schließe in 20 Minuten. Gels, Getränke und der Radcomputer mussten noch am Rad angebracht und der Luftdruck überprüft werden. Zu Fuß in Badeschlappen sollten der restliche Kilometer bewältigt werden. Trampen ist Daniel nicht fremd. Ein Athletenbus mit dem Sonderrecht der Durchfahrt bis fast ins Wasser hielt zwar an, war aber schon derart hoffnungslos überfüllt, da passte keine Maus mehr sein. Der nächste Bus war ein VIP-Bus, der Fahrer registrierte Daniels hochgehaltenen Daumen und die zur Bitte gefalteten Hände. Der Fahrer erbarmte sich und hielt an. 5 Helfer verloren sich in dem großen Gefährt, der Neu-VIP Herr Schnabel fand seinen Platz und kam geradeso noch rechtzeitig zum Einchecken an.

Der Matchplan des Triathleten Schnabel sah eine Endzeit von unter 11 Stunden vor. Um 06.54 Uhr ging er am Langener Waldsee baden, am Ende des Tages sollte er aber nicht baden gegangen sein. Vorab, das Pech seiner Mitstreiter Kienle (böse Schnittwunde am Fuß) oder Lange (übler Plattfuß und körperliche Schwächen) hatte er nicht, diesbezüglich lief alles rund und glatt. Der Eisenbacher startete mit Nummer 1469 in der Altersklasse 30 bis 34 Jahre.

Obwohl die schnelleren Neoprenanzüge nicht getragen werden durften (schützt die Althleten), lag die Schwimmzeit über die 3,8 km mit 1.18.34 Stunden im Schnitt. Der Wechsel vom Wasser aufs Rad benötigte 7.53 Minuten. Die Radstrecke von Frankfurt in die Wetterau musste wegen einer Baustelle geändert und somit um 5 km auf 185 km verlängert werden, insgesamt mussten 1400 Höhenmeter überwunden werden. Das Umsteigen vom Rad zum Laufen dauerte 7.09 Minuten

Daniel hatte mit 5.44.25 Stunden auf dem Rad für seine Zielvorstellung einige Zeit gut gemacht. Beim abschließenden Marathon lief es bis zum Kilometer 10 auch sehr gut. Unter der Bullenhitze um die 40 Grad litten schon die Menschen, die einfach nur nichts machten. Der Veranstalter hatte die cirka 10 km lange Laufstrecke leicht geändert, 700 m lagen jetzt in einer schattigen Allee, bei einer 10 km langen Runde freilich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Triathleten hatten besonders unter der Hitze zu leiden. Daniel Schnabel bekam körperliche Probleme, sein Körper verweigerte die weitere Aufnahme des Gels, was während des Wettkampfes die so wichtige Nahrung ersetzte. Ihn überkam zudem ein Übelkeitsgefühl. Das Ziel unter 11 Stunden war gestern, jetzt stand Ankommen an oberster Stelle.

Bei diesem Vorhaben konnte er auf Freunde zählen. Seine Eltern Mechthild und Roland, Bruder Christian, Verlobte Helen, deren Eltern Anja und Uwe und die Schwester Rieke und die Freunde Mareike, Erdem, Kevin, Ronnie, Nils, Jens, Jonathan, Tobias, Kai, Sven, Frank, Giuliano, Andreas, James, 2 x Michael, Daniel, Rieke, Smön, Tascha, Vanessa, Sascha, Marko und Marco, Stefan und Dagmar hatten sich über die Laufstrecke verteilt und feuerten Daniel an. Die Betonung liegt auf Freunde. Einer Athletin Sarah True hätte man solche gewünscht. Sie führte bis einen Kilometer vor dem Ziel die Damenkonkurrenz souverän an. Ihr Zusammenbruch, den Millionen Menschen an der Strecke und an den Bildschirmen verfolgten, war schockierend. Ihr Umfeld hatte aber wohl andere Interessen als die Gesundheit der Amerikanerin, die einige Wochen vorher bei einem Marathon schon gesundheitsbedingt ausscheiden musste und in Frankfurt am Besten gar nicht gestartet wäre. Ihre Gesundheit musste wohl dem kommerziellen Interesse "Teilnahme am Ironman auf Hawaii am 12.10.2019" untergeordnet werden. Daniels Umfeld hätte, wenn es an seine Gesundheit gegangen wäre, mit Sicherheit das Hand geworfen, um es in der Boxersprache auszudrücken.

Daniel Schnabel senkte unter Anfeuerung seiner Fans die Kilometerzeiten, legte auch Gehpausen ein und nutzte jeden Verpflegungsstand (alle 2,5 km) zum Trinken und zum Kühlen seines Körpers.

Er fand bei seiner ersten und Patrick Langes letzter Laufrunde noch die Zeit und die Kraft, den an diesem Tag glücklosen Topathleten anzufeuern, der letztjährige Gewinner schaffte es, er startet wieder auf Hawaii.

Daniel wird den 30.06.2019, 19.18 Uhr, nie vergessen. Er bog vom Main auf die Zielgerade in die Frankfurter Innenstadt ein, die schweren Beine wurden mit einem Male leicht, unter dem Jubel der Fans und speziell seiner Fans lief er auf dem roten Teppich nach 5.06.43 Stunden Marathon mit einer Gesamtzeit von 12.24.43 Stunden über die Ziellinie, sein, wenn auch revidiertes, Ziel, durchhalten und ankommen war erreicht.

Sein Rang 959 (Männer und Frauen), Rang 884 bei den Männern und Platz 157 (von 309) seiner Altersklasse ist eigentlich vollkommen unbedeutend, er hat den Wettkampf beendet, das stand ganz oben.

Eine Helferin nahm ihn hinter der Ziellinie in Empfang und führte ihn ins Athletenzelt. Hier nahm er die Zielverpflegung ein, im Sanitätszelt untersuchte ihn ein Arzt, er ließ sich massieren.

Kontakte zu seinen Fans hatte er nur über die sozialen Medien. Auch diese hatten eine tolle Leistung erbracht, über 12 Stunden in der sengenden Sonne ausgehalten und ihren Freund unterstützt. Respekt an Euch, der gesellschaftliche Zusammenhalt ist doch nicht ganz verloren gegangen, es gibt noch tolle Freundschaften.

Für Daniel Schnabel war der unvergessliche Tag nach der Abholung seines Fahrrades um 22.30 Uhr zu Hause auf seinem Sofa zu Ende. Auch die Mutter, die sich verständlicherweise die größten Sorgen gemacht hatte, entspannte sich endlich.

Am Montag ließ Daniel es ruhig angehen, auf dem Sofa schaute er sich in der Mediathek die Sportberichterstattung des Ironman Frankfurt 2019 an. Er hielt es aber (mit einem Tag Verzug) mit der Weisheit, die er vom Fußball und vom Biertrinken her kennt. Am Tag danach soll man mit dem beginnen, mit dem man am Tag zuvor aufgehört hat. Am Dienstag schwang er sich für eine 20 km lange Strecke aufs Rad, mittwochs wurde locker gelaufen und donnerstags mit einer Tour auf den Feldberg schon wieder geochst. Die Regeneration ging erstaunlich schnell.

Es gilt noch, was zu dem Wortspiel Eisenmann/Eisenbach zu sagen. Es gibt vier objektive Belege, dass ein Eisenmann oder eine Eisenfrau (für Laien: so werden Triathleten genannt) aus Eisenbach kommen muss.

Oliver Schmidt von der VLG (Vereinigung der Läufer und Geher) Eisenbach nahm ebenfalls am Ironman Frankfurt 2019 teil. Dieser Wettkampf war somit gleichzeitig die Ortsmeisterschaft Eisenbach im Triathlon. Mit einer Gesamtzeit von 12.32.18 Stunden musste sich Oliver Schmidt Daniel Schnabel nur ganz knapp geschlagen geben.

Wir sind aber immer noch nicht am Ende und kommen jetzt zu den Eisenfrauen. Eine Woche nach Frankfurt nahm Elke Leimpek, ebenfalls von der VLG Eisenbach, am Austria-Kärnten Triathlon in Klagenfurt / Österreich teil. Sie beendete ihren Wettkampf nach 11.54.31 Stunden auf dem 2. Platz ihrer Altersklasse. Die Siegerin Yvonne Most hat schon 3 Mal am Ironman auf Hawaii teilgenommen und überlässt 2019 ihren Startplatz Elke.

Barbara Bremer ist beim Triathlon in Roth für die VLG angetreten und hat den Wettkampf mit 12.45.55 Stunden erfolgreich abgeschlossen.

Mir wäre nicht bekannt, dass diverse Eisenbacher einen Triathlon bestritten hätten.

Elke, Barbara, Oliver und Daniel, Ihr seid zwar etwas bekloppt, ich verneige mich aber vor Eurer Leistung und zolle allerhöchsten Respekt, herzlichen Glückwunsch. 12 Stunden sind 720 Minuten. 720 Minuten wären 8 Fußballspiele hintereinander. Ich habe spätestens nach 90, wenn es mal hart kam, nach 120 Minuten, aus dem letzten Loch gepfiffen.

Zurück zum VIP, zum Eisenmann und Ortsmeister von Eisenbach, Daniel Schnabel: meine Frage, ob es ein nächstes Mal gebe, beantwortete er mit Achselzucken und den Worten "vielleicht irgendwann", erst einmal aber nicht. Es gibt vorrangig andere Ziele, Hausbau und Hochzeit (der Fan vom Jugendfußball Schorsch Horz hat eine weitere Hoffnung) stehen bald an, beruflich ist er aufgestiegen, muss mehr Verantwortung im Bertieb tragen. 

Und jetzt die Liebeserklärung an den Fußball: er hat für die Teilnahme am Triathlon Entbehrungen auf sich genommen, meistens war Einsamkeit beim Training angesagt. Der Kontakt zu den Mitspielern, das Gemeinschaftserlebnis inklusive des Bieres und dem Zusammensein danach mit den Mannschaftskameraden hat ihm doch sehr gefehlt. Nutznießer werden jetzt die Kumpels, von denen viele an der Strecke standen und ihn anfeuerten, sein. Daniel steht ab sofort der 2. Mannschaft der SG Taunus zur Verfügung und wird helfen, den Klassenerhalt in der B-Klasse Limburg zu erreichen.

Ich wünsche Euch einen erholsamen Urlaub, die qualvolle Zeit der Vorbereitung auf die Saison 2019 / 2020 geht vorbei, ich wünsche Euch einen guten Saisonstart, wir sehen uns auf irgendeinem Sportplatz.

Schorsch Horz