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„Die Eintracht ´zieht´ momentan“

Interview mit dem Finanzvorstand von Eintracht Frankfurt, Oliver Frankenbach

Timm Henecker (li.) und Dominik Groß besuchten Oliver Frankenbach (Finanzvorstand der Eintracht Frankfurt Fußball AG) in der Commerzbankarena in Frankfurt.

Nach drei Jahren, zwei leidenschaftlichen Finalspielen, einem grandiosen Pokal-Triumph und unzähligen Emotionen, haben wir uns wieder mit dem im flw-Land lebenden Finanzvorstand von Eintracht Frankfurt, Oliver Frankenbach, zusammengesetzt, und die letzten ereignisreichen Monate der Eintracht Revue passieren lassen. Selbstverständlich haben wir mit Oliver dabei auch über die jetzige Situation der SGE und ihre spannenden Zukunftspläne gesprochen.

flw24: Hallo Oliver, vielen Dank, dass du uns hier in der Eintracht-Loge im Stadion empfängst. Wie waren die letzten Monate und speziell das Pokalfinale für Dich?

Oliver Frankenbach: Gerne. Sicherlich gehören die letzten Monate mit dem sensationellen Gewinn des DFB-Pokals in Berlin zu den Höhepunkten meiner Eintracht-Zeit. Das war schon außergewöhnlich. Es war mein drittes Pokalfinale in meiner Zeit bei Eintracht Frankfurt - 2006 gegen den FC Bayern, letztes Jahr gegen Borussia Dortmund und dieses Jahr erneut als krasser Außenseiter wieder gegen die „übermächtigen“ Bayern. Man hat an diesem Tag in Berlin aber sofort gespürt, dass wir gut im Spiel sind und mit unseren Nadelstichen immer gefährlich sein können. Als wir dann das 2:1 erzielten, habe ich wirklich dran geglaubt, dass wir es schaffen.

flw24: ... und dann kam die 94. Minute und der Video-Beweis.

Videobeweis – Eckball – Gacinovic

Oliver Frankenbach: Ja, das war eine Nerven-Probe. Alle, die wir da auf der Tribüne gestanden haben, dachten, dass er nun Elfmeter pfeifen wird, dann zeigt er aber nach der langen Video-Kontrolle zur Eckfahne und nach dem anschließenden Eckball macht Mijat Gacinovic im Gegenzug das 3:1. Das war für mich einer der emotionalsten Momente, die ich bei der Eintracht je erlebt habe. Du siehst Gacinovic laufen wie Forrest Gump und das komplette Team läuft an der Seitenlinie mit - das ganze Stadion tobt. Das war einfach nur Wahnsinn und ist auch im Rückblick immer wieder ein Gänsehaut-Moment.  Aber auch der Tag danach in Frankfurt mit dem Empfang auf dem Römer oder die Fahrt zum Römer mit den zig Tausenden Fans auf der Straße war einfach nur grandios.

flw24: Aber im Sommer gab es dann einen Aderlass und einige Stammspieler sowie Trainer Niko Kovac haben den Verein verlassen. Wie war das für Euch intern?

Oliver Frankenbach: So läuft das in dem Geschäft nun mal. Überraschend war das für uns jetzt nicht. Bei Niko Kovac war ja schon früher klar, dass er zu Bayern geht und auch bei einigen Spielern wie Wolf oder Mascarell  mussten wir damit rechnen, dass sie uns verlassen werden. Bei Boateng sind wir jetzt auch nicht aus allen Wolken gefallen, als wir erfahren haben, dass er seine Karriere noch einmal woanders fortsetzen möchte. Da haben wir auch zugestimmt. Er war sicherlich ein Glücksgriff für uns und wir für ihn gewiss auch. Und natürlich sind wir auf solche Situationen auch immer vorbereitet. Wir haben  einen sog. „Schattenkader“, in dem sich eine Vielzahl von Spielern befinden, die Alternativen für die Zukunft sein können. Und letztendlich haben wir es auch in dieser Saison wieder geschafft, einen wettbewerbsfähigen Kader zusammenzustellen.

flw24: Es ist auffallend, dass es die Eintracht in den letzten Jahren immer wieder geschafft hat, Spieler aus dem Hut zu zaubern, die keiner so richtig kannte und die sofort eingeschlagen haben.

„Er dachte, wir sagen ihm ab“

Oliver Frankenbach: Ja, absolut. Seitdem Fredi Bobic da ist, haben wir uns beim Scouting breiter aufgestellt weiter professionalisiert und sind dort deutlich besser geworden. Wir konnten so Spieler wie Wolf, Mascarell, Vallejo, Torro oder N´Dicka verpflichten.

Auch unseren neuen Trainer Adi Hütter hatten wahrscheinlich die wenigsten auf der Rechnung, aber uns bzw. vor allem Fredi Bobic und Bruno Hübner konnte er sehr schnell überzeugen. Als Fredi beim ihm angerufen hat, dachte er, es ist eine Absage, weil die Rückmeldung von uns so schnell kam.

Oliver Frankenbach (li.) begrüßte die flw24 Redaktion in der Loge der Frankfurter Eintracht.

flw24: Nach dem großen Erfolg folgte der Umbruch – was war Eure Zielsetzung vor der Saison?

Oliver Frankenbach: Die Zielsetzung war, dass wir in der Bundesliga eine „ruhige Saison“ spielen, also nichts mit dem Abstieg zu tun haben und in der Europa League überwintern. Es kann natürlich vieles passieren, wenn man mit neuem Trainer, einigen neuen Spielern sowie einer „neuen Mehrfachbelastung“ in eine Saison geht - die ersten beiden Partien gegen Bayern im Super Cup und Ulm im DFB-Pokal waren dann auch äußerst negativ. Aber wir haben auch in dieser Zeit immer die Ruhe bewahrt, weil wir von unserem Weg total überzeugt sind. Und danach wurde es besser und wir sind sehr zufrieden, wie es jetzt in der ersten Saisonphase gelaufen ist. 

Speziell im Europa Pokal konnten wir bislang überzeugen, alle drei Partien gewinnen und unseren Fans tolle Spiele liefern. Das war aber auch unser Ziel, wir wollten nicht einfach nur so mitspielen, sondern wollten von Anfang an eine gute Rolle spielen, den deutschen Fußball gut repräsentieren, den finanziellen Ertrag mitnehmen und natürlich unseren Zuschauern etwas bieten.

flw24: Die Eintracht kauft wieder Spieler, anstatt diese „nur“ auszuleihen. Habt ihr bei Transfers eine Schmerzgrenze, die ihr nicht überschreiten werdet?

Oliver Frankenbach: Ja, das stimmt. In unserem aktuellen Kader sind lediglich Jovic und Kostic ausgeliehen, allerdings haben wir für beide eine Kauf-Option. Eine Schmerzgrenze gibt es so für uns nicht. Die Grenze orientiert sich an unseren wirtschaftlichen Möglichkeiten. Wenn wir 50 Millionen zahlen könnten und der Spieler dieses Geld für uns wert wäre, würden wir das auch machen. Wir haben in diesem Jahr wieder eine Menge investiert und weit über 20 Millionen Euro für Spieler ausgegeben – weit mehr als wir über Transfers eingenommen haben. Durch Pokalsieg und Euro League können wir es uns jetzt leisten, keinen Transfer-Überschuss erzielen zu müssen.

„Wir sind komplett ausverkauft“

flw24: Man kann schon sagen, dass es bei der Eintracht derzeit sowohl sportlich als auch wirtschaftlich - also in deinem Fachgebiet - einfach „läuft“, oder?

Oliver Frankenbach: Ja, man kann sagen „die Eintracht zieht momentan“. Natürlich spielt der sportliche Erfolg dabei eine große Rolle und steht über allem, aber auch andere Aspekte sind wichtig. Ich denke wir haben in den letzten Jahren einiges richtig gemacht. Als wir vor drei Jahren hier zusammengesessen haben, haben wir über einen Umsatz von 100 Mio. Euro gesprochen, in diesem Jahr machen wir einen Umsatz von 150 Mio. Euro.

Wir sind komplett ausverkauft, d.h. alles was wir von Eintracht Frankfurt irgendwie anbieten können, haben wir in dieser Saison verkauft. Wir sind bei der Vermarktung sehr stark, so dass wir vielleicht nicht so abhängig von TV-Geldern sind wie andere Clubs. Dennoch machen die TV-Gelder auch bei uns mittlerweile 40-45% unserer Umsätze aus und sind natürlich äußerst wichtig für den Verein.

Das Wohnzimmer der Eintracht, das Waldstadion (Commerzbankarena).

flw24: Beim Thema Marketing tut sich bei euch einiges. Ihr seid zuletzt sogar Social Media-Meister geworden und werdet Euch im kommenden Jahr selbst vermarkten?

Oliver Frankenbach: Ja, seitdem Axel Hellmann im Vorstand ist haben wir auch in diesem Bereich eine enorme Entwicklung vollzogen. Ab dem 01.07.2019 werden wir uns nunmehr selbst vermarkten, wir haben schon einen neuen Bereichsleiter eingestellt und wollen diesen Bereich sukzessive ausbauen. Wir sind in der glücklichen Situation langjährige Sponsoren-Verträge zu haben, so dass wir zunächst die Strukturen für die Vergrößerung schaffen können.

flw24: Dazu gehört dann auch die weitere Internationalisierung der Marke Eintracht Frankfurt?

Oliver Frankenbach: Ja, sicherlich. Auch die Internationalisierung gehört dazu. Wir betreiben eine Vielzahl von Kooperation in den USA und auch in China hinsichtlich des Aufbaus von Fußball-Camps. Im Wintertrainingslager werden wir ein Turnier in Orlando spielen. Zudem haben wir eine chinesische Tochtergesellschaft für den asiatischen Markt gegründet. Meine beiden Vorstandskollegen Fredi Bobic und Axel Hellmann sind da sehr umtriebig und reisen ständig um die Welt, um die Marke Eintracht Frankfurt zu präsentieren. Ich glaube, ich habe die beiden in den letzten drei Wochen hier gar nicht mehr gesehen (lacht).

flw24: Ein weiteres großes Thema bei der Eintracht ist das Stadion. Welche Pläne habt ihr da?

Oliver Frankenbach: Momentan mieten wir das Stadion lediglich für unsere Heimspiele. Unser Ziel als Eintracht Frankfurt Fußball AG ist es ab 2020, wenn der Vertrag der Stadion-Betreiber Gesellschaft ausläuft, mit der Stadt Frankfurt einen gewerblichen Mietvertrag für 365 Tage im Jahr zu schließen, so dass wir das Stadion immer nutzen können und auf alle Erlöse von Veranstaltungen außerhalb des Fußballs zugreifen können, beispielsweise auf Namensrechte, auf Catering-Erlöse u.v.m. Wir könnten so neue Geschäftsmodelle entwickeln und verschiedene Pakete schnüren, um so die Ertragsmöglichkeiten des Stadions vollständig zu nutzen.  

„Wir wollen das Stadion auf 60.000 Plätze vergrößern“

flw24: Das klingt spannend. Wie weit sind die Verhandlungen?

Oliver Frankenbach: Wir haben der Stadt ein tragfähiges Konzept vorgelegt, was auch die Modernisierung und Vergrößerung des Stadions beinhaltet. Um wettbewerbsfähig - auch im Hinblick auf die EM 2024 - zu bleiben, müssen wir unserer Meinung nach 60 Millionen Euro ins Stadion investieren. Davon 30 Millionen Euro in „Steine“, d.h. in die Kapazität des Stadions, das auf etwa 60.000 Plätze erweitert werden soll. Aber der Fußball soll bei uns bezahlbar bleiben, daher wollen wir die Eintracht-Kurve nur mit Stehplätzen erweitern, so dass eine kleine „Wand“ entsteht mit etwa 18.000 Plätzen. Die anderen 30 Millionen Euro müssen in die Digitaltechnik investiert werden und wir sind bereit einen Großteil dieser Investitionen zu tragen.

flw24: Zudem wird es eine neue Geschäftsstelle hinter dem Stadion geben.

„Die Mitarbeiterzahl soll sich verdoppeln“

Oliver Frankenbach: Ja, dafür haben wir gerade die Finanzierung abgeschlossen. Zusammen mit der Volksbank Mittelhessen werden wir das finanzieren, es ist ein 35 Millionen Euro-Projekt. Ich hoffe, dass wir in diesem Jahr noch mit dem Bau starten können. Unser Ziel ist es, das wir  2020 einziehen können. Es soll ein zweigeteiltes Gebäude geben, das auf der einen Seite die komplette Verwaltung und auf der anderen Seite den Lizenzspieler-Bereich beinhaltet. Ein Ziel ist es dann auch, dass wir unsere Mitarbeiter-Anzahl entsprechend unserer ganzen Vorhaben von jetzt rund 150 auf dann 300 verdoppeln können. Darüber hinaus wollen wir unseren Spielern ein professionelles Umfeld bieten.

flw24: Wow, das ist ein ambitioniertes Vorhaben, klingt aber auch richtig gut. Man merkt, dass sich bei der Eintracht einiges bewegt. Ist diese „Bewegung“ auch eng mit der Person Fredi Bobic verbunden?

Oliver Frankenbach: Fredi Bobic hat natürlich neue Impulse gesetzt. Er kam an, schaute sich um und hat erstmal jeden Stein umgedreht, wie man so schön sagt. Fredi Bobic ist sehr umtriebig und geht viele Themen und deren Umsetzung offensiv und schnell an. Aber auch Axel Hellmann und meine Person wollen den Club ständig weiterentwickeln und voranbringen. Jeder ist in seinem Umfeld ein Experte. Und dieses Expertenwissen bündeln wir in gemeinsamen Entscheidungen, um die Zukunft des Clubs positiv zu gestalten. Die Zusammenarbeit in unserem Vorstands-Team klappt daher hervorragend.

„Alex Meier kann jederzeit bei uns einsteigen“

flw24: Abschließend noch zwei kurze Fragen, da ich weiß, dass das unzählige Eintracht-Fans in unserer Region interessiert. Wie seid ihr mit Alex Meier verblieben und wie lief das mit Niko Kovac tatsächlich?

Oliver Frankenbach: Mit Alex Meier haben wir einen Vertrag, dass er nach seiner Karriere jederzeit  bei der Eintracht einsteigen kann und eine Funktion im Verein übernehmen kann. Auch ein Abschiedsspiel ist vertraglich mit ihm vereinbart. Er hat sich aber erst einmal entschieden, dass er  seine Karriere fortsetzen will und hält sich derzeit in Österreich fit.

Bei Niko Kovac war die mediale Ausschlachtung des Themas natürlich sehr unglücklich. Niko hatte ja von Anfang an eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag und ein Angebot von Bayern anzunehmen war daher legitim, wenn nicht gar, die Chance seines Lebens. Das war auch nicht das Problem. Es kam irgendwie in den Münchner Medien hoch, dass Nico beim FC Bayern unterschreibt und wir wussten noch nichts davon. Daraufhin hat Niko Fredi informiert, aber letztendlich hat er sich mit dem Pokal-Sieg verabschiedet und alles ist gut (lacht).

flw24: Alles klar, Oliver. Vielen Dank für die spannenden Einblicke und viel Erfolg weiterhin.

Das Interview führte Timm Henecker.