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Wo rührt bloß der erstaunliche Torhunger her?

Knappschafts-Beobachtungen zum Bundesliga-Auftakt

flw24-Kolumnist Jörg Andersson von der Knappschaft.

„Um eine optimale sportliche Leistung zu erzielen, benötigt der Körper Energie, die wir durch die Nahrung aufnehmen.“ Klingt unspektakulär, stammt aber aus berufenem Munde. Dr. Markus Braun, leitender Sportmediziner am Klinikum Westfalen, darf sich derzeit diebisch darüber freuen, was seine Musterschüler so anrichten. Denn nur einige hundert Meter entfernt von den Knappschafts-Kliniken liegt das Trainingsgelände von Borussia Dortmund. In Diensten deren Profis wirkt Braun seit 14 Jahren als Mannschaftsarzt und hat  dabei so viel Vertrauen erworben, dass die BVB-Starkicker dem Chirurgen und Orthopäden auch in Sachen Ernährung folgen.

Wer beobachtet, wie die Truppe zu Saisonbeginn die gegnerischen Bundesligateams mit kaum zu stillendem Torhunger reihenweise schwindelig spielt, dem drängt sich doch die Frage auf: Was hat man denen denn ins Essen getan? oder auch  - Was haben die denn geschluckt?

„Fettreiches Fleisch ist tabu. Das macht müde und ist schwer verdaulich.“

Gerne hätte ich an dieser Stelle die möglichst grammgenaue Zutatenliste des Dortmunder Erfolgsrezeptes veröffentlicht. Doch vermutlich würde der 51-Jährige Braun dann wegen Geheimnisverrat angeklagt.  Entsprechend bleibt es bei diskreten Hinweisen. „Drei Stunden vor dem Spiel werden kohlenhydratreiche und zugleich fettarme Mahlzeiten wie etwa Nudeln mit buntem Gemüse und etwas Fisch oder fettarmes Geflügel serviert“, berichtet Dr. Braun. Und weiter: „Fettreiches Fleisch ist tabu. Das macht müde und ist schwer verdaulich.“

An dieser Stelle wird mir klar, dass ich trotz eines hochkompetenten Kronzeugen auch im zweiten Teil unserer Rubrik Sportlernährung das Kapitel Dampfplaudern aufschlagen muss. Fassen wir zusammen: Hamburger oder Currywurst sind nicht leistungsfördernd. Frittierte und überbackene Gerichte füllen weniger die Energiespeicher sondern die Fettdepots auf. Und mit einstigen Schokoriegel-Slogans wie „Mars macht mobil bei Arbeit, Sport und Spiel“ lässt sich schon lange niemand mehr vernaschen.

Blättern wir weiter: Milch, Joghurt, Quark oder Fruchtmolke bewirken kurz vor dem Anstoß keinen Energiekick  sondern sind eher unverträglich. Aber: nicht alles, was auf den ersten Blick süß und ungesund erscheint, steht generell auf dem Index: einige Ernährungsregeln wurden zwischenzeitlich angepasst. Ein Bananenmuffin, Laugengebäck sowie auch Cornflakes oder ein helles Brötchen mit Marmelade zählen zu den Lebensmitteln, die schnell ins Blut schießen und kurzfristig das Energielevel aufrechthalten können.

Sicherheitshalber und gebetsmühlenartig füge ich an dieser Stelle wieder hinzu. Trinken nicht vergessen. Dabei habe ich gerade auf diesem Gebiet unglaubliche Erfahrungen gesammelt. Bloß nichts trinken – allenfalls heißen Tee, hatte zu meiner Jugendzeit die Betreuerriege noch als Parole ausgegeben. Ersparen wir uns weitere Rückblicke ins eiserne Fußballzeitalter, als Schienbeinschoner noch verpönt waren und der Abpfiff des Schiedsrichters vielfach nahezu parallel mit dem Anzünden einer Zigarette einher ging, auch ohne, dass irgendjemand der Akteure als Argumentationshilfe die technischen Qualitäten eines Mario Basler hätte vorweisen können.

Alkohol verzögert die Regeneration

Zurück zum Getränkesortiment: Mineralwasser, möglichst eher still, Saftschorle und während des Sports eventuell sogar mal ein Iso-Drink steigern die Belastbarkeit. Wiewohl da schon Einschränkungen gelten, um nochmal den BVB-Doc zu zitieren. „Nicht jeder Spieler verträgt die Elektrolytgetränke“, ergänzt er. Zum Thema Alkohol positioniert sich Dr. Braun klar. Der verzögert die Regeneration der Zellen. „Heute können es sich Profis nicht mehr erlauben, wie früher, nach einem gewonnenen Spiel mit einem Bier anzustoßen“, verrät der Dortmunder Mannschaftsarzt.

Jetzt wird mir klar, warum nach Pokaltriumph oder Meisterschaft das Bier nur noch im kindischen Ringeltanz verschüttet wird. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. 

Keine Siegesfeier mit Alkohol? Womöglich haben die „Roten“ aus München das dieser Tage zu wörtlich genommen und deshalb das Spiel gegen Wolfsburg vor dem Wiesen-Besuch sicherheitshalber noch aus der Hand gegeben. In solchen Fällen ist dann die Psyche gefragt und es womöglich heilsam, sich mit ein paar Humpen Bier über das Remis hinwegzutrösten.

Da rehabilitiere ich doch gleich auch eine Süßigkeit: Schokolade, die dummerweise reichlich Fett und Zucker enthält. 30 Gramm Fett und cirka 20 Stücker auf die klassische Tafelgröße gerechnet –  bei Edelbitter fällt zumindest die Zuckerbilanz etwas glimpflicher aus. Zum Abschluss zitiere ich aus dem Buch der chemischen Lebensmittelzusammensetzung. Schokolade enthält die Aminosäure Tryptophan. Diese vermag unser Wohlbefinden zu fördern, weil sie der menschliche Körper in das Glückshormon Serotonin umwandelt.

Fußball wird im Kopf entschieden, sage ich, solange das ernährungstechnische Erfolgsrezept geheim bleibt.