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Von Ammenmärchen und anderem

Die Kolumne von Claus Coester

Vom lieben Geld soll heute  - ausnahmsweise -  mal die Rede sein. Was ganz Neues also. Bekanntlich dreht sich ja alles in der Welt ums Geld. So auch im Fußball. Die Rede ist allerdings hier nicht von den Profiligen, sondern von den Feierabendspielern, die bei den Nicht-Profis die überwältigende Mehrheit ausmachen. Wir bewegen uns also in der breitgestreckten Region von der untersten Kreisliga bis in die Regionalliga. Hier endet nominell das Terrain der Amateure. Denn offiziell ist die darüber liegende Dritte Liga, dem Range nach übrigens die höchste im DFB, die erste vollprofessionelle Liga im deutschen Fußball. Die erste und zweite Bundesliga fallen bekanntlich als abgekoppelter Bereich in die Zuständigkeit der DFL.

In der Regionalliga, der vierten also, wo dem Status nach also Amateure (manchmal auch Rekonvaleszenten aus den Profimannschaften, die bei der Reserve wieder Praxis bekommen sollen) auflaufen, spielen auch Akteure aus Afrika oder Asien, die in Ermangelung eines Jobs bzw. einer Qualifikation nur dem Ball nachlaufen. Diese Fußballer, in Wirklichkeit „falsche“ Profis, müssen natürlich liquide sein und bekommen das Geld im Kuvert oder von Sponsoren aufs Konto überwiesen. Von irgendwas müssen die Brüder ja leben. Oft bekommen sie von Gönnern des Vereins auch eine Unterkunft zur Verfügung gestellt. Die Beträge, die man solchen zusteckt, sind sicher nicht horrende. Weglegen für spätere Zeiten können diese davon nichts. Sie leben folglich von der Hand in den Mund. Wenn sie keinen Fußball mehr spielen, sind sie oft mittellose, fast bedauernswerte Wesen. Sie müssen dann von Steuergeldern aufgefangen werden. Bei den ehemaligen Gönnern sind sie längst in Vergessenheit geraten.

Fassen wir einmal – auf Hessen bezogen – die beiden höchsten Amateurligen Hessenliga und Verbandsliga zusammen. Hier wird natürlich auch Geld bezahlt, sehr unterschiedlich bei jedem Verein. Die Budgets reichen von bescheiden bis üppig. Das Geld wird bei einem Neuzugang im Regelfall formal auf der Grundlage eines vornehmlich einjährigen Amateurvertrages gezahlt. Damit umgehen die Klubs die Ablösesumme (Ausbildungsentschädigung). Die Transparenz, die der Fußballverband damit nach Möglichkeit garantieren möchte, erhöht die Kosten um die Sozialabgaben (Versicherung, Knappschaft usw.), die sich auf rund ein Drittel des Basisbetrages belaufen.

Spieler, die keinen Vertrag haben – und das sind die meisten, spätestens nach einem Jahr bei einem neuen Verein – beziehen auch Geld, angemessen ihrem Status in der Mannschaft freilich in sehr unterschiedlicher Höhe. Die einen sahnen vergleichsweise ab, die anderen bekommen ein paar Brosamen. Wenn es über die Bücher läuft, fallen ebenfalls Nebenkosten an. Oft ist das jedoch nicht der Fall, da Vereine durchaus über ausgetiftelte Methoden oder Gönner verfügen. Dann kommt das Bargeld, sprich Schwarzgeld, wieder ins Spiel. Papiergeld und Briefumschläge sind nun mal geduldig und darüber hinaus schweigsam.

Über die Höhe der „Gehälter“ in den höheren Amateurligen, aber auch bis in die Kreisligen, kursieren die abenteuerlichsten Gerüchte. Zahlen, die kolportiert werden, sind immer von dem entsprechenden Spieler selbst in die Welt gesetzt worden. Kein Vereinsoffizieller oder Sponsor oder Mäzen ist so töricht und wird jemals der Öffentlichkeit verraten, was er wem zur Verfügung stellt. Die Spieler selbst sind es, die sich am Tresen oder in der Disco bei ihren Kumpels interessant machen wollen und Zahlen in die Welt setzen, die mit der Wirklichkeit kaum etwas zu tun haben. Die Kumpels erzählen es weiter und so kreisen die Summen dann herum und werden größer. Was haben Informationen über Spielerhonorare in den Amateurligen und der Erfolg bei Frauen gemeinsam? Über nichts wird mehr gelogen als über diese beiden Themen. Intelligente Spieler – die gibt es ja zweifelsohne - erzählen auch ihrem besten Kumpel nichts über Geld. Sie trinken lieber einen mit diesem und erzählen sich andere schöne Dinge.

Damit kein Missverständnis entsteht. Hier wird nicht gezweifelt, dass bis in die Kreisligen hier und da Geld zugesteckt wird. Aber die Höhe hält sich meist in braven Grenzen. Es ist ein gutes Benzingeld. Lassen wir die Kirche doch im Dorf. Ausnahmen gibt es natürlich. Aber der Regelfall ist es nicht. Wenn von Akteur XY erzählt wird, er kassiere in der Kreisoberliga oder in der Gruppenliga 600 Euro im Monat auf die Hand, dann ist dies in den meisten Fällen in das Reich der Märchenwelt zu verbannen. Auch in den oberen Amateurligen bewegt sich das Salär bei den allermeisten im bescheidenen Rahmen. Mag sein, dass mal jemand für einen Hunderter mehr von der einen in die andere Klasse wechselt.

Ein Wort zu den Geldgebern in den Vereinen. Schön, dass es sie gibt. Schön, dass damit auch die Fußballqualität in manchem Dorfverein wächst. Manchmal sind es Unternehmer. Manchmal private Gönner. Vereinzelte Spieler, die keine Ausbildung geschafft haben, aber durchaus einem gehobenen Anspruch der Fußballkunst genügen, kassieren dann von diesen so viel Cash, dass sie davon vielleicht für den Moment einigermaßen hinkommen. Oft fahren sie mit einem überdurchschnittlichen „Schlitten“ vor den Sportplatz, um die Defizite in anderen Bereichen zu kompensieren. Das ist aber alles Blendwerk. Es stellt sich hier eine wichtige Frage, d.h. die Frage nach der Verantwortung von Geldgebern. Ist es nicht wichtiger, wenn ein junger begabter Fußballer einen Beruf erlernt? Wenn er dann obendrein dem Verein auch noch zu höherem fußballerischem Niveau verhilft, ist das prima. Aber wichtiger ist, dass der Kicker einen Job hat oder erlernt. Es darf nicht so sein, dass er sich für die Zeit, in der er erfolgreich gegen den Ball stößt, in einer Sicherheit wiegt, die nur eine temporäre Scheinsicherheit ist. Es ist einfacher, die Geldbörse zu öffnen als sich um die Lage eines fragilen Spielers zu kümmern. So honorig es ist, einem Verein Geldmittel zur Verfügung zu stellen,  – ob in der Kreisliga oder in der Hessenliga – aber es bleibt neben der sportlichen Verantwortung auch eine soziale für bestimmte Fußballschäfchen.