Regionalliga Süd vom 30.03.2004:
SV Wehen – Bayern München II 4:0 (1:0)
Auch "kleine" Bayern ziehen großes Publikum an. Kaum erwartete 2700 Besucher gaben einem Fußballabend auf dem Wehener Halberg einen würdigen Rahmen, der den einheimischen Sportverein auf seinem Weg zum angestrebten Ziel "zweite Liga" ein gehöriges Stück weiterbringen könnte, der "Jungschule" des deutschen Rekordmeisters aber eine peinliche Niederlage brachte, die zumindest deren Lehrmeister Hermann Gerland nicht vergessen dürfte. "Ich wüsste nicht, dass ich mit meiner Mannschaft je so hoch verloren hätte", bekannte der einstige Profifußballer aus dem Ruhrpott (VfL Bochum), der mit Unterbrechungen (Nürnberg, Bielefeld) seit anderthalb Jahrzehnten erfolgreiche Arbeit in der Bayern-Talentschmiede leistet.
Auf Seiten der Gäste junge, ehrgeizige Fußballer mit großem Potential, die sich um den Leitwolf Thorsten Fink scharten, auf der anderen Seite eine gesunde Mischung aus erfahrenen Fußballprofis, die Wehens Coach Djuradij Vasic aufs Feld schickte.
Die ersten glasklaren Chancen gehörten Wehen. Sprekakovic und Nakas (nach Diakite-Ecke) verlangten Michael Rensing, der Oliver Kahn beerben könnte, sein ganzes Können ab. (1./4.).
Auch Rensings Gegenpol im Wehener Tor, der talentierte Patric Klandt, bewies, dass er ein Meister seines Faches ist. Bayerns Markus Steinhöfer tauchte alleine vor ihm auf und wurde vom Ex-Eintrachtler und der neuen Nummer Eins am Halberg gebremst (9./16.) Noch einmal in der 23. Minute musste er eingreifen.
Das Anfangsfeuer Wehens dauerte um die 20 Minuten. Jetzt war die Partie ausgeglichen. Manche Fehlabstimmung auf der Bayernseite trieb deren Übungsleiter Gerland die Zornesröte ins Gesicht, sein Banknachbar Gerd Müller bewahrte dagegen die Ruhe.
Kurz vor dem Seitenwechsel schoss der Bayer Jan Mauersberger einen kapitalen Bock, den Wehens Danko Boskovic nicht zu verwerten wusste: Allein vor Rensing zog er am linken Pfosten vorbei.
Fazit des ersten Durchgangs:
Wehen eröffnete die Partie furios, die Bayern waren noch nicht auf dem Platz, fingen sich aber dann. Die Qualität der Chancen sprach allerdings eindeutig für die Halberger. Bayern-TW Rensing hielt das 0:0 noch fest.
Wer Gerland kennt, weiß, welches Feuer er seinen Buben unter dem Allerwertesten in der Kabine wohl gemacht hat. Genutzt hat es allerdings für das Bayernspiel im zweiten Durchgang nichts. Wehen spielte dagegen konsequent seinen Fußball weiter. Die erste Frucht erntete bereits in der 48. Minute Kristian Sprecakovic, der einen vorzüglichen Rückpass von Stefan Zinnow unhaltbar im Bayerntor unterbrachte. Damit begann Wehens Erfolgsgeschichte der zweiten 45 Minuten, die in regelmäßigen Abständen dann zu drei weiteren Toren führte. Stefan Zinnow, der Ex-Lübecker, zeichnete für den Doppelschlag verantwortlich, der den Gast aus Süddeutschland endgültig in die Hoffnungslosigkeit stieß.
Das 4:0, das Danko Boskovic 10 Minuten vor Schluss nach einem Missverständnis in der Bayern-Defensive besorgte, rundete nicht nur die Peinlichkeit für die Bayern an diesem Abend ab, sondern belegte, dass heute eine Wehener Mannschaft aufgelaufen war, die beinahe jede Unachtsamkeit des Gegners unmissverständlich ahndete.
Das Waterloo hätte noch größer werden können, hätte nicht der tüchtige Rensing (Gerland: "Heute mein bester Mann") zwischen den Pfosten gestanden.
In der Pressekonferenz erlebte man einen vergleichsweise ruhigen Hermann Gerland, der sehr wohl wusste, dass seine Jungs heute eine Lektion erteilt bekommen hatten, von einer öffentlichen Schelte jedoch absah und den Galgenhumor zum Verbündeten nahm: "Ich muss jungen Nationalspielern nicht auch noch sagen, welche Schuhe sie zu tragen haben, damit sie nicht bei jedem Zweikampf auf die Nase fallen."
Wehens Trainer Vasic kam zu einer knappen, nüchternen Analyse: "Meine Mannschaft hat konzentriert agiert. In der ersten Halbzeit mussten wir uns noch gedulden. Dann stellte sich der Erfolg ein."
Die Frage nach der zweiten Bundesliga sah Vasic sachlich: "Wir haben noch zwölf Spiele, davon sieben zu Hause. Es ist noch ein langer Weg."
Unter dem Strich fuhr Wehen einen auch in dieser Höhe hochverdienten Sieg ein. Die Gastgeber agierten im Ganzen fehlerfrei, engagierter und, wenn Gerland das auch nicht gelten lassen wollte, reifer als sein Jungvolk, in dem zweifelsohne das eine oder andere große Talent schlummert (Tobias Rau oder der Bolivianer José-Luis Ortiz u.a.).
Für die Halberger kommt es nun darauf an, nicht abzuheben. Es war eine Gala, die nicht allen, so doch vielen Freude gemacht hat. Doch der Alltag ist schon wieder da.
Dass Wehen zu siegen versteht, davon konnte sich eine beachtliche Kulisse - unter dieser viel Fußballprominenz wie Späher Uli Stielike - nachhaltig überzeugen. Dass Vasics Schützlinge den Sieg zu nutzen verstehen, werden sie in den kommenden Spielen beweisen müssen. Nach dem Schützenfest über die Bayern durften sie den Sieg zumindest genüsslich auskosten.
Bild: Rasanter Zweikampf zwischen Tobias Rau (Bayern, r.) und Wehens Nikolaos Nakas, ganz links Sascha Amstätter, im Hintergrund rechts der zweifache Torschütze Stefan Zinnow, ganz hinten als Beobachter Altmeister Thorsten Fink
SV Wehen: Klandt, Simac, Boskovic, Sprecakovic, Simon, Krause, Nakas, Matarazzo (87. Castellino), Amstätter, Zinnow (83. Nicu), Diakité (69. Brendel).
Bayern München II: Rensing, Niedermeier (56. Jungwirth), Buck, Mauersberger, Saba, Fink, Ottl, Rau, Steinhöfer (31. Heinze), Ortiz (69. Thomik), Kilicaslan.
Tore: 1:0 Sprecakovic (48.) 2:0/3:0 Zinnow (68./72.), 4:0 Boskovic (82.).
Zuschauer: 2700.